Leitsatz (amtlich)
1. Vermögensbestandteile, die unpfändbar sind, gelten nicht als einzusetzendes Vermögen im Sinne von § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO und deshalb sind auch Leistungen aus den "Corona-Soforthilfeprogrammen" des Bundes oder der Länder nicht als im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe einzusetzendes Vermögen anzusehen.
2. § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO kennt keine vom verfahrenskostenhilfebedürftigen Beteiligten selbst erklärten "Vermögensreservate": Die bloße Absicht des Beteiligten, einen bestimmten, vorhandenen Geldbetrag für einen bestimmten Zweck wie beispielsweise die eigene Altersvorsorge oder eine Baufinanzierung etc. vorhalten zu wollen, führt noch nicht dazu, dass der betreffende Betrag als nicht einzusetzendes Vermögen anzusehen und dem Beteiligten zu belassen wäre.
Verfahrensgang
AG Berlin-Pankow/Weißensee (Aktenzeichen 23 F 751/20) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den am 22. September 2021 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts Pankow - 23 F 751/20 - wird zurückgewiesen.
Gründe
- der Antragsteller erhält aufgrund der Regelung in §§ 113 Abs. 1 FamFG, 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO nur eine abgekürzte Beschlussausfertigung ohne Ausführungen zu den Gründen -
I. Der Antragsgegnerin wendet sich dagegen, dass das Familiengericht die von ihr nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsverteidigung in einer Ehesache mit der Begründung verweigert hat, sie verfüge über ausreichendes eigenes Vermögen und sei von daher nicht bedürftig. Sie meint, das sei unzutreffend. Zwar sei richtig, dass sie über zwei Konten mit einem Guthaben von insgesamt etwa 13.900 EUR verfüge. Aber dieser Betrag umfasse diverse Rücklagen, die ihr nicht als Vermögen anzurechnen seien: Einmal gehe es um Gelder aus einem Corona-Soforthilfeprogramm des Landes B. in Höhe von 5.000 EUR; dieser Betrag sei von ihr an die Investitionsbank B. zu erstatten. Zum anderen handele es sich um eine Rücklage für die Umsatzsteuerzahlung für das 3. Quartal 2021; hier habe sie einen entsprechenden Betrag im Oktober 2021 zur Zahlung angemeldet. Weiter müsse sie Rücklagen vorhalten für eine im Dezember 2021 zu leistende Einkommensteuervorauszahlung in Höhe von 417 EUR sowie für die weiteren, im März 2022 sowie im Juni, September und Dezember 2022 fällig werdenden Vorauszahlungen. Das Familiengericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist zwar zulässig (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 3, 567ff. ZPO), hat in der Sache selbst jedoch keinen Erfolg, weil es gegen die familiengerichtliche Entscheidung auch unter Berücksichtigung ihres Beschwerdevorbringens nichts zu erinnern gibt:
a) Aus der Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen und den dazu überreichten Belegen ergibt sich, dass die Antragsgegnerin, die als Dekorateurin sowie im Filmgeschäft in verschiedenen Bereichen künstlerisch selbständig erwerbstätig ist, über ein Girokonto bei der ...bank verfügt, das ausweislich der überreichen Kontoauszüge ein Guthaben zwischen 2,58 EUR und 563,21 EUR aufwies. Ein zweites Konto bei der D. wies ein schwankendes Guthaben in Höhe zwischen 22.136,19 EUR Ende Mai 2021 und 13.910,79 EUR Anfang September 2021 auf.
b) Damit verfügt die Antragsgegnerin aber über ein ausreichendes Vermögen, um die Kosten der Rechtsverteidigung bestreiten zu können. Dabei bleibt es auch dann, wenn berücksichtigt wird, dass der Antragsgegnerin, die drei minderjährige Kinder betreut, ein Schonvermögen von insgesamt 6.500 EUR zu verbleiben hat (5.000 EUR für die Beteiligte und 500 EUR für jedes überwiegend unterhaltene, von den Eltern hier im Nestmodell gemeinsam betreute Kinder; §§ 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO, 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII iVm. der hierzu erlassenen Durchführungsverordnung; vgl. Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe [9. Aufl. 2020], Rn. 413). Insoweit gilt:
(aa) Die von der Antragsgegnerin gebildete Rücklage von 5.000 EUR, damit sie die erhaltene Corona-Soforthilfe entsprechend ihrer Behauptung nach erfolgter Abrechnung an die Investitionsbank zurückzahlen kann, ist als Abzugsposition anzuerkennen. Denn nach allgemeiner Auffassung umfasst das im Sinne von § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO einzusetzende Vermögen nur solche Vermögensbestandteile, die pfändbar sind. Unpfändbares Vermögen ist im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe nicht einzusetzen (vgl. Zimmermann, Prozesskosten- und Verfahrenskostenhilfe [6. Aufl. 2021], Rn. 155; Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe [9. Aufl. 2020], Rn. 368). Bei der Corona-Soforthilfe nach Bundes- oder Landesprogrammen handelt es sich jedoch, wie der Bundesgerichtshof inzwischen entschieden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 2021 - VII ZB 24/20, BGHZ 229, 94 = NJW 2021, 1322), um eine gemäß § 851 Abs. 1 ZPO nicht pfändbare Forderung. Damit ist die Corona-Soforthilfe in Höhe von 14.000 EUR, die der Antragsgegnerin am 1. April 2021 zugeflossen und die, soweit ersichtlich, ganz überwiegend verbraucht worden ist, nicht als ein im Rahmen der ...