Entscheidungsstichwort (Thema)
fünfmonatige Begründungsfrist auch für LG-Entscheidungen in Wohnungseigentumssachen. Wohnungseigentumssache
Leitsatz (amtlich)
1. Wird die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts in Wohnungseigentumssachen nicht binnen 5 Monaten nach Verkündung des Tenors in vollständiger Form der Geschäftsstelle übergeben, so ist die Entscheidung als nicht mit Gründen versehen anzusehen und auf eine zulässige Rechtsbeschwerde aufzuheben (vgl. GemS-OGB NJW 1993, 2603).
2. Die zweite Tatsacheninstanz darf dem von der ersten Instanz festgestellten Ergebnis einer Augenscheinseinnahme ohne eigene Beweiserhebung keine abweichende Bedeutung beimessen (vgl. BGH MDR 1986, 220).
Normenkette
WEG § 45 Abs. 1; FGG §§ 25, 27 Abs. 1 S. 2; ZPO § 551 Nr. 7
Verfahrensgang
AG Berlin-Wedding (Aktenzeichen 70 II 160/89) |
LG Berlin (Aktenzeichen 150 T 72/90) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten dritter Instanz sind nicht zu erstatten.
Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 2.000,00 DM festgesetzt.
Gründe
Die Wohnungseigentumsanlage besteht aus drei Wohnungseigentumseinheiten, von denen eine den Antragstellern und zwei den Antragsgegnern zustehen. Am 16. November 1989 fand eine Eigentümerversammlung statt, auf der die Gemeinschaft mit den beiden Stimmen der Antragsgegner u. a. zu TOP 5 beschloß, daß eine von den Antragstellern auf dem im Gemeinschaftseigentum stehenden Zufahrtsweg zu ihrem auf dem hinteren Grundstück liegenden Sondereigentum eigenmächtig angebrachte dritte Außenlampe wieder entfernt werden muß. Diesen und andere Eigentümerbeschlüsse vom 16. November 1989 haben die Antragsteller rechtzeitig angefochten. Das Amtsgericht Wedding hat nach einer bei Dunkelheit durchgeführten Augenscheinseinnahme den Anfechtungsantrag bezüglich des Eigentümerbeschlusses zu TOP 5 zurückgewiesen; der Beschluß entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung, weil der Zufahrtsweg auch ohne die mittlere Außenlampe ausreichend beleuchtet sei. Die zunächst unbeschränkt eingelegte Erstbeschwerde haben die Antragsteller nach Teileinschränkung mit einem am 19. Mai 1990 eingegangenen Schriftsatz in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 1991 auf die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses zu TOP 5 eingeschränkt. Nach mündlicher Verhandlung hat das Landgericht Berlin am 24. Juli 1991 den Tenor der Beschwerdeentscheidung verkündet, wonach unter Änderung der amtsgerichtlichen Entscheidung der Eigentümerbeschluß vom 16. November 1989 zu TOP 5 für ungültig erklärt wird. Der vollständige Landgerichts-Beschluß mit Gründen ist am 13. September 1993 der Geschäftsstelle übergeben worden. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner führt wegen der verspäteten schriftlichen Begründung des angefochtenen Beschlusses zu dessen Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 Abs. 1 WEG zulässig. Insbesondere ist die Rechtsmittelbeschwer des § 45 Abs. 1 WEG in der am 24. Juli 1991 geltenden Fassung erreicht. Sie beträgt wie auch vom Landgericht angenommen, angesichts der Dauerwirkung der umstrittenen baulichen Veränderung 2.000,00 DM. Das Rechtsmittel ist auch sachlich gerechtfertigt. Der angefochtene Beschluß ist nicht rechtsfehlerfrei (§ 27 Abs. 1 FGG). Das Verfahren zweiter Instanz leidet unter einem schweren Verfahrensmangel, der zur Aufhebung der Erstbeschwerdeentscheidung zwingt. Der Mangel liegt darin begründet, daß das Landgericht seine Beschwerdeentscheidung am 24. Juli 1991 verkündet, die vollständige schriftliche Beschlußbegründung aber erst am 13. September 1993 der Geschäftsstelle übergeben hat. Ist die Erstbeschwerdeentscheidung in Wohnungseigentumssachen nicht binnen 5 Monaten nach Verkündung in vollständiger Form der Geschäftsstelle übergeben worden, so ist die Entscheidung als nicht mit Gründen versehen anzusehen und auf die zulässige Rechtsbeschwerde hin aufzuheben.
Gemäß § 45 Abs. 1 WEG in Verbindung mit § 27 Abs. 1 Satz 1 FGG ist das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde sachlich gerechtfertigt, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer Gesetzesverletzung beruht. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG ist § 551 ZPO entsprechend anzuwenden. Gemäß § 551 Nr. 7 ZPO ist eine Entscheidung stets als auf einer Gesetzesverletzung beruhend anzusehen, wenn die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.
Es entspricht allgemeiner Auffassung, daß die Verfahrensmängel des § 551 ZPO im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit auch ohne besondere Rüge von Amts wegen zu prüfen sind (vgl. Jansen, FGG, 2. Aufl., § 27 Rdnr. 40; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG 13. Aufl., § 27 Rdnr. 36).
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Zivilprozeß war seit langem anerkannt, daß es dem Fehlen von Gründen gleichsteht, wenn die schriftliche Begründung mit starker Verzögerung zu den Gerichtsakten...