Entscheidungsstichwort (Thema)
Musterbedingungen des GdV
Leitsatz (amtlich)
Der wegen eines Kfz-Diebstahls auf Entschädigungsleistung in Anspruch genommene Kaskoversicherer kann sich mit Erfolg auf Leistungsfreiheit wegen einer arglistigen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit berufen, wenn der Versicherungsnehmer in dem Fragebogen des Versicherers nach der Laufleistung statt ca. 27.500 km "ca. 6.800 km" angibt, und seine Erklärung, der Kilometerleistung keine Bedeutung für die Bewertung des Fahrzeugs beigemessen zu haben, nicht glaubhaft ist, weil er ca. zwei Wochen vor dem behaupteten Versicherungsfall bei der Abfrage der jährlichen Kilometerleistung 6.000 km angegeben hat.
Normenkette
VVG n.F. § 28 Abs. 3 S. 2; AKB 2008 E. 1.3; AKB 2008 E. 6
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 21.08.2013; Aktenzeichen 44 O 11/13) |
Gründe
1. Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, ihre Berufung vom 6.9.2013 gegen das am 21.8.2013 verkündete Urteil der Zivilkammer 44 des LG Berlin gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, weil der Senat nach Vorberatung einstimmig der Auffassung ist, dass das Rechtsmittel zulässig, aber in der Sache offensichtlich unbegründet ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Zu Recht hat das LG die Klage abgewiesen. Der Senat nimmt auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung vollinhaltlich Bezug. Die gegen diese Entscheidung vorgebrachten Berufungsangriffe lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Es liegen auch keine konkreten Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen (§§ 513, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Zutreffend stellt das Ausgangsgericht fest, dass die Klägerin jedenfalls gem. § 28 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 VVG in Verbindung mit E. 6.1 und 6.2 der in den Versicherungsvertrag einbezogenen AKB leistungsfrei ist.
a) Der Geschäftsführer der Klägerin hat im Rahmen der Schadensmeldung zur Frage nach der Gesamtkilometerlaufleistung des versicherten Fahrzeugs im Zeitpunkt des behaupteten Versicherungsfalls mit "6800 km" objektiv unzutreffende Angaben gemacht; tatsächlich betrug die Gesamtkilometerlaufleistung des BMW X5 ausweislich des Schlüsselgutachtens des Sachverständigen S...W...vom 10.4.2012 (Anlage B2) am 2.2.2012 bereits 27.543 km. Die Angabe des Geschäftsführers der Klägerin kann auch nicht deshalb als zutreffend angesehen werden, weil er sie mit einem ca.-Zusatz versehen hat; eine derart deutliche Abweichung - wie vorliegend - von mehr als 300 % ist auch aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht mehr von einem ca.-Zusatz abgedeckt.
Die Falschangabe zur Gesamtlaufleistung ist der Klägerin zuzurechnen. Die Tatsache, dass der Geschäftsführer der Klägerin den Fragebogen nicht eigenhändig ausgefüllt hat, sondern dies seine Sekretärin und Lebensgefährtin, die Zeugen L...übernommen hatte, ändert daran nichts. Denn zum einen hat der Geschäftsführer der Klägerin den ausgefüllten Fragebogen eigenhändig unterschrieben und sich dadurch die Angaben zu eigenen gemacht. Zum andern hat die Zeugen L...im Rahmen ihrer Vernehmung auch bekundet, die Angabe zur Laufleistung mit "ca. 6800" auf ausdrückliche Anweisung des Geschäftsführers der Klägerin eingetragen zu haben.
b) Mit dieser Falschangabe hat die Klägerin die ihr gemäß. 1.3. der AKB obliegende Aufklärungsobliegenheit verletzt. Danach hat der Versicherungsnehmer alles zu tun, was zur Aufklärung des Schadensereignisses dienen kann. Entgegen der Ansicht der Klägerin bezieht sich diese Obliegenheit bereits ihrem eindeutigen Wortlaut nach - und deshalb für einen verständigen, juristisch nicht vorgebildeten Versicherungsnehmer auch in diesem Sinne zu verstehen - nicht nur auf das versicherte Ereignis als solches, sondern auf das gesamte Schadensereignis und damit auf alles, was für die Feststellungen der Beklagten zum Grund und zur Höhe ihrer Leistungspflicht von Bedeutung ist. Dass die Höhe der Gesamtfahrleistung des versicherten Pkws jedenfalls Auswirkungen auf die Bemessung der Versicherungsleistung hat, bedarf keiner näheren Erörterung. Ausweislich der von der Beklagten eingereichten Fahrzeugbewertungen beläuft sich die Differenz vorliegend auf ca. 4000 EUR.
c) Nach Aktenlage ist davon auszugehen, dass der Geschäftsführer der Klägerin arglistig gehandelt hat, so dass die Klägerin mit ihrem Einwand, die Obliegenheitsverletzung sei i.S.d. § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungsverpflichtung der Klägerin ursächlich geworden, gem. § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG ausgeschlossen ist.
Arglistig handelt der Versicherungsnehmer, wenn ihm in Bezug auf die Verletzung zumindest bedingter Vorsatz anzulasten ist und die Falschangabe gemacht worden ist, um auf die Regulierungsentscheidung des Versicherers Einfluss zu nehmen.
Der Geschäftsführer der Klägerin hat es zumindest für möglich gehalten, dass die Angabe "ca. 6800 km" unzutreffend ist und dies auch billigend in Kauf...