Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweiswürdigung im Falle eines erst nachträglich in Erscheinung getreten Zeugens
Normenkette
ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 468/06) |
Tenor
1. Es wird gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO darauf hingewiesen, dass der Senat nach Vorberatung beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.
2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu binnen drei Wochen.
Gründe
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.
I. Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
II. Beides ist hier nicht der Fall. Der Senat folgt vielmehr den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet werden.
1. Das Vorbringen des Klägers bedarf vorab - auch soweit es im Tatbestand des angefochtenen Urteils wiedergegeben ist - einer klarstellenden Auslegung. Der Kläger hat zunächst auf S. 2 der Klageschrift behauptet, der Beklagte zu 1. sei mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 2. gefahren, als es zum Unfall gekommen sei. Dies hat das LG in das streitige Klägervorbringen im Tatbestand (UA S. 2) übernommen. Im Schriftsatz vom 10.4.2007 hat der Kläger dann zunächst weiterhin den Beklagten zu 1. als unfallbeteiligten Fahrer bezeichnet (S. 1). Nachfolgend hat er jedoch ausgeführt, der Beklagte zu 2. sei der Fahrer gewesen (S. 2). Zutreffend haben die Beklagten daraufhin im Schriftsatz vom 25.4.2007 hervorgehoben, es sei wohl unstreitig, dass der Beklagte zu 1. nicht der Fahrer des Unfallfahrzeuges gewesen sei.
Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits haben die Parteien dann übereinstimmend den Beklagten zu 2. als unfallbeteiligten Fahrer angesehen, wie es sich auch aus dessen persönlicher Vernehmung und der polizeilichen Unfallaufnahme ergibt. Hiervor geht mit den Entscheidungsgründen des LG (UA S. 4) auch der Senat aus.
2. Die Angriffe der Berufung gegen die Beweiswürdigung des LG führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Der Senat teilt vielmehr die Überzeugung des LG, dass der Beklagte zu 2. als Fahrer des Daihatsu am 23.8.2006 auf der Kaiserin-Augusta-Allee geradeaus bei grünem Ampellicht in den Einmündungsbereich der Wiebestraße eingefahren ist, während der Zeuge A. bei rotem Ampellicht aus der Wiebestraße in die Kaiserin-Augusta-Allee eingefahren ist, wo die Fahrzeuge kollidiert sind.
a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.
Dies ist nicht der Fall, wenn sich das Gericht des ersten Rechtszuges bei der Tatsachenfeststellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht vom Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen (vgl. KG, Urt. v. 8.1.2004 - 12 U 184/02; vgl. auch KG [22. ZS], KGReport Berlin 2004, 38 = MDR 2004, 533; KG, Urt. v. 8.1.2004 - 12 U 184/02, KGReport Berlin 2004, 269).
§ 286 ZPO fordert den Richter auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze sowie an Erfahrungssätze und ausnahmsweise gesetzliche Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. So darf er beispielsweise einer Partei mehr glauben als einem beeideten Zeugen oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung feststellen (Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 286 Rz. 13). Die leitenden Gründe und die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung hat das Gericht nachvollziehbar im Urteil darzulegen. Dabei ist es nicht erforderlich, auf jedes einzelne Parteivorbringen und Beweismittel ausführlich einzugehen; es genügt, dass nach der Gesamtheit der Gründe eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat.
b) An diese Grundsätze hat sich das LG gehalten.
(1) Es ist nicht zu beanstanden, dass das LG Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägerzeugen A damit begründet hat, in der polizeilichen Unfallaufnahme finde sich kein Hinweis darauf, dass er sich auf ein grünes Ampellicht zu seinen Gunsten berufen habe. Dem Kläger ist zuzugeben, dass die gewöhnlich kurzen Vermerke zu den Äußerungen der Beteiligten am Unfallort von vornherein keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben und dass "Dokumentationsverluste" sich nicht gänzlich ausschließen lassen. Allerdings stellt im Streitfall die Ampelschaltung den zentralen Punkt der Auseinandersetzung dar, und der Kläger führt zur Berufungsbegründung aus, dass es vor Ort Auseinandersetzungen über einen Rotlichtverstoß gegeben habe. Das hat der Zeuge auch vor dem LG bestätigt. In der...