Leitsatz (amtlich)

Reisekosten, Verdienstausfall und Verpflegungsmehraufwand können grundsätzlich zu den erstattungsfähigen Auslagen eines Beteiligten gehören. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um notwendige Auslagen handelt. Ob eine Aufwendung notwendig war, ist nicht im Nachhinein - etwa nach dem erreichten Ergebnis -, sondern danach zu beurteilen. wie sich ein vernünftiger Mensch in dieser Lage verhalten hätte.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 06.12.2018; Aktenzeichen (522 Ks) 234 Js 35/15 (2/15))

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Nebenklägers, vertreten durch Rechtsanwalt W., gegen den Beschluss des Rechtspflegers des Landgerichts Berlin vom 6. Dezember 2018 wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Verurteilten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

 

Gründe

I.

Das Landgericht Berlin verhängte gegen den früheren Angeklagten, der die Mutter des Nebenklägers getötet hatte, am 29. September 2016 nach 26 Verhandlungstagen wegen Totschlags eine .Freiheitsstrafe von fünf Jahren und erlegte ihm neben den Kosten des Verfahrens die notwendigen Auslagen des Nebenklägers auf. Der Nebenkläger hatte an 25 Verhandlungstagen teilgenommen, zu denen er jeweils von seinem Wohnort angereist war. Der ihm als Nebenklagevertreter, beigeordnete Rechtsanwalt bzw. dessen Vertreter war an allen .Verhandlungstagen anwesend gewesen. Die Revision des Nebenklägers gegen das Urteil, mit der er eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes erstrebte, hatte keinen Erfolg; das Urteil ist seit dem 27. April 2017 rechtskräftig.

Der Nebenkläger hat beantragt, gegen den Verurteilten gemäß § 464b StPO die ihm als Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen in einer Gesamthöhe von 18.497, 65 Euro festzusetzen, wobei er im Einzelnen 12.968,65 Euro Reisekosten, 5.229,00 Euro Verdienstausfall und 300,00 Euro Verpflegungsmehraufwand geltend macht. Die Rechtspflegerin des Landgerichts hat den Antrag mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Nebenkläger mit seiner zulässig erhobenen sofortigen Beschwerde. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Mit Recht hat die Rechtspflegerin es abgelehnt, die geltend gemachten Auslagen des Nebenklägers als notwendige Auslagen im Sinne des § 464a StPO festzusetzen.

a) Zwar können Reisekosten, Verdienstausfall und Verpflegungsmehraufwand grundsätzlich zu den erstattungsfähigen Auslagen eines Beteiligten gehören, da § 464a Abs. 2 StPO keine erschöpfende Aufzählung (möglicher) notwendiger Auslagen enthält (vgl. Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 464a Rdn. 21). Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um notwendige Auslagen handelt. Darunter sind die einem Beteiligten erwachsenen, in Geld messbaren Aufwendungen zu verstehen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, zur Geltendmachung der prozessualen Rechte in der gebotenen Form notwendig waren (vgl., Hilger ebenda). Ob eine Aufwendung notwendig war, ist nicht im Nachhinein - etwa nach dem erreichten Ergebnis -, sondern danach zu beurteilen, wie sich ein vernünftiger Mensch in dieser Lage verhalten hätte (vgl. .Hilger ebenda).

b) Nach diesen Maßstäben fallen die geltend gemachten Aufwendungen nicht unter den Begriff der notwendigen Auslagen.

aa) Der Beschwerdeführer meint, dass seine Aufwendung allein schon deshalb erstattet werden müssten, weil er zu allen Sitzungstagen geladen worden sei. Im Ergebnis ebenso wird dies offenbar auch von Hilger (a.a.O., § 472 Rdn. 14) gesehen, der die gegenteilige Auffassung (OLG Bamberg JurBüro 1985, 1047 m. zust. Anm. Mümmler) "im Hinblick auf § 397 StPO" ablehnt (nicht einschlägig die von Hilger ebenda zitierte Entscheidung OLG Düsseldorf MDR 1993, 786, die sich in einem obiter dictum lediglich zur Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen des Nebenklägers für einen anwaltlichen Beistand äußert; fehlgehend daher auch der Hinweis auf Mümmler JurBüro 1990, 450).

Diese Begründung überzeugt jedoch nicht. § 397 Abs.1 Satz 2 Halbsatz 1 StPO schreibt vor, dass der Kläger zur Hauptverhandlung zu laden ist. Damit soll gewährleistet werden, dass er in die Lage versetzt wird, sein in § 397 Abs. 1 Satz 1 StPO normiertes Anwesenheitsrecht in der Hauptverhandlung ausüben zu können. Der Nebenkläger ist berechtigt, an der Hauptverhandlung teilzunehmen, er ist hierzu aber nicht verpflichtet (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 62. Aufl., § 397 Rdn. 3). Es bleibt ihm überlassen, ober seine Rechte durch persönliche Anwesenheit in der Hauptverhandlung ausüben will. Hier war es so, dass dem Beschwerdeführer ein Rechtsanwalt als Nebenklagevertreter beigeordnet war. Dieser hat ausweislich des Sitzungsprotokolls - zudem überaus engagiert - die Interessen des Nebenklägers vertreten. Der Senat lässt dahinstehen, ob die Vertretung eines Nebenklägers durch einen an der gesamten Hauptverhandlung teilnehmenden anwaltlichen Beistand schon für sich genommen die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen für die persönliche A...

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