Leitsatz (amtlich)
1. Eine gerichtliche Ermächtigung zur Einberufung der Hauptversammlung einer AG ist auch möglich, wenn sich die Gesellschaft in Insolvenz befindet, soweit sich die zu behandelnden Beschlussgegenstände auf insolvenzfreie Bereiche beziehen.
2. Eine Ermächtigung zur Durchführung einer sog. beschlusslosen Hauptversammlung kommt nur dann in Betracht, soweit das Gesetz überhaupt solche Fälle vorsieht. Das Bedürfnis, über die Gründe und Ursachen der Insolvenz informiert zu werden, ist dabei kein gesetzlich vorgesehener Fall.
Normenkette
AktG § 122 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen HRB 190354 B) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 08. November 2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 30. September 2019, Az. HRB 190354 B, wird zurückgewiesen.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist ein Antrag auf Ermächtigung der Beteiligten zu 1) vom 01. August 2019, eine Hauptversammlung zu bestimmten Tagesordnungspunkten gemäß § 122 AktG einzuberufen.
Die Beteiligte zu 1) ist Gesellschafterin der Beteiligten zu 2), einer Aktiengesellschaft, deren Grundkapital sich auf 1.000.000,00 Euro beläuft und in 1.000.000 Stückaktien eingeteilt ist. Die Beteiligte zu 2) hat seit September 2019 keinen Vorstand mehr.
Über das Vermögen der Beteiligten zu 2) ist durch Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg am 03. Juni 2019 das Insolvenzverfahren eröffnet worden, nachdem die Beteiligte zu 2) am 20. Mai 2019 einen Eigenantrag gestellt hatte.
Mit Schreiben vom 07. Juni 2019 hat die Beteiligte zu 1) vom einzigen Vorstand der Beteiligten zu 2), Frau E., vergeblich die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung begehrt. Das Schreiben ist zum einen an die Privatanschrift des Vorstands, zum anderen an die inländische Geschäftsanschrift der Beteiligten zu 2) gerichtet gewesen.
Mit Schreiben vom 01. August 2019 hat die Beteiligte zu 1) beantragt,
sie gemäß § 122 Abs. 3 Satz 1 AktG zu ermächtigen, eine außerordentliche Hauptversammlung der Beteiligten zu 2) einzuberufen, auf welcher der folgende Tagesordnungspunkt behandelt werden soll:
Bericht des Vorstands zu den Geschehnissen und Ursachen, welche den Vorstand der Beteiligten zu 2) zur Stellung eines Insolvenzantrages über das Vermögen der Beteiligten zu 2) bewogen haben sowie Beantwortung von Fragen der Aktionäre der Beteiligten zu 2) hierzu.
Sie hat ferner angeregt, einen neutralen Versammlungsleiter zu bestimmen nach § 122 Abs. 3 Satz 2 AktG und diesbezüglich vorgebracht, dass der Vorsitzende des Aufsichtsrates, dem gem. § 16 der Satzung der Vorsitz in der Hauptversammlung obliegt, nichts gegen das Vorstandsmitglied E. unternommen habe, das sich ihrer Auffassung nach einer Untreuehandlung nach § 266 StGB strafbar gemacht habe. Der Aufsichtsratsvorsitzende habe es zudem gebilligt, dass der Aufsichtsrat Frau R. zum weiteren Vorstand der Beteiligten zu 2) bestellt habe und diese kurz vor der Insolvenz ihr Amt wieder niedergelegt habe. Diese sei in erheblicher Weise vergütet worden.
Ferner habe der Vorstand die Aktionäre über den Insolvenzantrag und deren Hintergründe nicht informiert, es sei daher wichtig, dass der Vorstand die Hauptversammlung unterrichte, aus welchen Gründen es zur vorläufigen Insolenz gekommen sei und wie sich die laufende Situation der Gesellschaft darstelle, ob die Gesellschaft weitergeführt werden könne oder zerschlagen werde.
Am 16. September 2019 ist das Vorstandsmitglied E. aus dem Handelsregister nach dessen Amtsniederlegung gelöscht worden.
Mit Beschluss vom 30. September 2019, der Beteiligten zu 1) am 08. Oktober 2019 zugestellt, hat das Amtsgericht Charlottenburg den Antrag der Beteiligten zu 1) vom 01. August 2019 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 1) mit ihrer Beschwerde vom 08. November 2019, am selben Tage bei Gericht eingegangen. Das Amtsgericht Charlottenburg hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft gem. § 122 Abs. 3 Satz 4 AktG und innerhalb der Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 375 Nr. 3 FamFG beim Amtsgericht eingelegt worden. Die Beteiligte zu 1) ist als durch ihren Antrag auf Einberufung einer Hauptversammlung zurückweisenden Beschluss unmittelbar beschwert im Sinne des § 59 Abs. 1 FamFG.
2. Die Beschwerde ist unbegründet.
a) Die formellen Voraussetzungen nach § 122 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 AktG für das Einberufungsverlangen der Beteiligten zu 1) sind allerdings erfüllt. Die Beteiligte zu 1) erreicht die erforderliche Mindestbeteiligung von 5 % des Grundkapitals, die Mindestbesitzzeit ist gewahrt. Der Antrag entspricht inhaltlich den Anforderungen des § 122 Abs. 1 AktG, er nennt Zweck und Gründe des Ermächtigungsantrags. Dies stimmt auch mit dem Verlangen überein, das dem Vorstand mit Schreiben vom 07. Juni 2019 zug...