Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung der Geschäftsgebühr auf PKH-Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts
Normenkette
RVG §§ 13, 45, 49-50, 55, 58 Abs. 2; RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1; RVG-VV Abs. 3 S. 3; RVG-VV Nrn. 2300, 3100
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 17.04.2008; Aktenzeichen 10 OH 1/06) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert:
Die Erinnerung des Antragstellers vom 28.4.2008 gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des LG Berlin vom 17.4.2008 - 10 OH 1/06 - wird zurückgewiesen.
Gründe
Das zugelassene Beschwerde der Beteiligten (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 2 RVG) hat Erfolg. Die Erinnerung des Antragstellers vom 28.4.2008 gegen den in Abhilfe auf die Erinnerung der Beteiligten vom 3.8.2007 ergangenen Beschluss der Rechtspflegerin des LG vom 17.4.2008 (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 1 Halbs. 1 RVG) ist nicht begründet. Die Rechtspflegerin hat die dem Antragsteller zustehende Vergütung zutreffend neu festgesetzt, nachdem der Antragsteller mitgeteilt hatte, dass er durch Verrechnung mit einem Guthaben des Mandanten eine auf die Prozesskostenhilfe-Vergütung anzurechnende Leistung erhalten hat. Im Gegensatz zur Auffassung des Antragstellers ist seine Vergütung nicht um den - von ihm bereits erstatteten - Betrag von 35,61 EUR zu mindern, sondern um insgesamt 84,45 EUR, so dass noch 48,84 EUR offen sind.
1. Mit dem Schreiben an die Mandantschaft vom 2.1.2007 hat der Antragsteller deren Guthaben in dieser Höhe mit seiner Honorarforderung aus der Kostenberechnung vom 22.12.2006 verrechnet, die sich aus seiner außergerichtlichen Tätigkeit nach einem Gegenstandswert von 8.500 EUR ergab und u.a. eine 1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV umfasste.
2. Auf seinen Antrag vom 22.12.2006 ist als Vergütung des Antragstellers nach §§ 45, 49 RVG eine 1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV nach einem Gegenstandswert von 6.000 EUR zzgl. Pauschale und Umsatzsteuer, Nr. 7002, 7008 VV, festgesetzt und ausgezahlt worden.
3. Der Antragsteller und die Beteiligte gehen insoweit übereinstimmend davon aus, dass die in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV vorgeschriebene Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nicht auf die Prozesskostenhilfe-Vergütung nach §§ 45, 49 RVG, sondern auf die Regelvergütung nach §§ 13, 50 RVG vorzunehmen ist und daher nur insoweit zum Zuge kommt, als der anzurechnende Betrag die Differenz zwischen Prozesskostenhilfe- und Regelvergütung übersteigt. Dem folgt der Senat: Die - teilweise - Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr soll verhindern, dass der Rechtsanwalt für deckungsgleichen Aufwand außerhalb des gerichtlichen Verfahrens, der wegen der Gleichheit des Gegenstandes auch dem allgemeinen Aufwand der Prozessvertretung (Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV) zugute kommt, doppelt honoriert wird. Die Anrechnung greift daher nur im Rahmen einer Abrechnung, die der Rechtsanwalt ggü. dem Mandanten oder einem anderen Kostenträger für beide Angelegenheiten vornimmt (KG, Beschl. v. 4.11.2008 - 1 W 395/08 - sowie ER-Beschl. v. 31.3.2008 - 1 W 111/08 -, OLGReport Berlin 08, 560). Das gleiche gilt für die Anrechnung der Beratungshilfe-Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 Abs. 2 VV. Diese ist daher ohne weiteres - zur Hälfte - auf die von der Justizkasse zu zahlende Prozesskostenhilfe-Vergütung anzurechnen, während die Anrechnung einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV auf die Regelvergütung für die Vertretung im gerichtlichen Verfahren nicht zum Zuge kommt, solange der beigeordnete Rechtsanwalt diese gegen den Mandanten nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht geltend machen kann. Das schließt es jedoch nicht aus, dass der Rechtsanwalt sich die auf die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV erhaltene Leistung nach Maßgabe des § 58 Abs. 2 RVG als Vorschusszahlung anrechnen lassen muss. Diese Anrechnung betrifft zunächst die Regelvergütung, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 RVG besteht, und führt nur letztrangig mit dem verbleibenden Betrag zur Minderung der Prozesskostenhilfe-Vergütung. Die Anwendung des § 58 Abs. 2 (vgl. N. Schneider, AGS 2008, 608, Anm. zu OLG Braunschweig, a.a.O., S. 606 ff.) rechtfertigt sich aus der Erwägung, dass eine auf die Geschäftsgebühr geleistete Zahlung des Mandanten oder eines Dritten infolge der Anrechnungsvorschrift Vorbemerkung 3 Abs. 4 zugleich als Vorschuss auf die Gebühr nach Teil 3, VV 3100 zu werten ist und als solcher daher der Anrechnung nach § 58 Abs. 2 RVG unterliegt. Die Bedenken des LG gegen eine Berücksichtigung dieser Anrechnung im Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG teilt der Senat nicht. Es handelt sich um Ausnahmefälle, die nicht zur routinemäßigen Überprüfung der außergerichtlichen Tätigkeit des beigeordneten Rechtsanwalts im Hinblick auf dort entstandene und etwa anrechnungspflichtige Gebührenansprüche führen dürften. Denn nach § 58 Abs. 2 RVG sind nur erhaltene Vorschüsse und Zahlungen anzurechnen, wovon bei einer bedürftigen Partei im Falle der außergerichtlichen Mandatierung nicht auszugehen ist.
4. Die...