Normenkette
BGB § 2247 Abs. 1, § 2256 Abs. 1, § 2353
Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Beschluss vom 04.03.2021; Aktenzeichen 62 VI 1010/20) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 4.3.2021 aufgehoben.
Die zur Begründung des Erbscheinsantrags vom 2.12.2020 erforderlichen Tatsachen, wonach die Erblasserin von den Beteiligten zu 1 und 2 als Erben zu jeweils 1/2 beerbt wurde, werden für festgestellt erachtet.
Das Amtsgericht wird angewiesen, einen entsprechenden Erbschein auszustellen.
Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten wird nicht angeordnet.
Gründe
Die gemäß den §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts sind die beiden Beteiligten gesetzliche Erben zu je 1/2 geworden und nicht testamentarische Erben. Entsprechend war festzustellen, dass die für den Erbscheinsantrag erforderlichen Tatsachen vorliegen. Die Erteilung des entsprechenden Erbscheins ist hingegen dem Amtsgericht vorzubehalten.
1. Die Beteiligten sind nicht testamentarische Erben geworden. Die vorhandenen Testamente vom 25.2.2002 und 6.3.2016 sind formunwirksam.
Das notarielle Testament vom 25.2.2002 nebst Änderung vom 3.10.2011 ist gemäß § 2256 Abs. 1 BGB unwirksam geworden, weil es von der Erblasserin am 25.1.2012 aus der amtlichen Verwahrung genommen wurde und dann von Gesetzes wegen als widerrufen gilt.
Das handschriftliche Testament vom 6.3.2016 ist formunwirksam, da nicht der gesamte wesentliche Inhalt handschriftlich verfasst wurde, § 2247 Abs. 1 BGB. In dem Testament heißt es lediglich: "Hiermit widerrufe ich das Schreiben vom 3.10.2011 und erkläre dieses von mir verfaßte Schriftstück für ungültig. So ist einzig und allein mein von mir verfaßtes Testament vom 25. Februar 2002, nochmals von mir unterschrieben am 21. März 2014, gültig."
Das Testament selbst enthält demnach keine aus sich heraus verständliche, handschriftlich abgefasste letztwillige Verfügung. Erst im Zusammenhang mit dem notariellen Testament vom 25.2.2002 erschließt sich der Wille der Erblasserin. Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts genügt die pauschale Bezugnahme auf ein notarielles Testament, das aus amtlicher Verwahrung genommen wurde und damit gemäß § 2256 BGB als widerrufen gilt, nicht den Formvorschriften. Der Senat verweist zunächst zu dieser Rechtsfrage auf den Meinungsstand, der in der Verfügung vom 27.4.2021 dargestellt wurde, und schließt sich der dort zitierten herrschenden Meinung an, nach der ein "Widerruf des Widerrufs" im Gesetz nicht vorgesehen ist und ein entsprechendes Testament deshalb formunwirksam ist. Von einer näheren Begründung wird mit Blick auf § 38 Abs. 4 Nr. 2 FamFG abgesehen, da die beiden einzigen Beteiligten übereinstimmende Anträge im Erbscheinsverfahren gestellt haben.
Auf die darüber hinaus erklärte Anfechtung des Testaments nach § 2078 BGB kommt es demnach nicht an.
2. Die beiden Beteiligten sind die einzigen Kinder der Erblasserin und damit gesetzliche Erben zu jeweils 1/2. Die nach § 352 Abs. 1 FamFG erforderlichen Angaben und Nachweise liegen vor, so dass die nach § 352e Abs. 1 S. 1 FamFG vorgesehene Feststellung der erforderlichen Tatsachen zu erfolgen hatte. Der Berufungsgrund ist regelmäßig nicht in den Erbschein mit aufzunehmen (vgl. nur BayOblG, Beschluss v. 25.1.1973, Breg 1 Z 83/72), jedoch im Erbscheinsantrag anzugeben. Der Erbscheinsantrag, gestützt auf gesetzliche Erbfolge, ist am 2.12.2020 eingereicht worden. An ihm hat der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren festgehalten, so dass der strengen Antragsbindung Genüge getan ist. Die Ausführungen im Vergleich vom 4.4.2022, wonach es für die beiden Beteiligten ohne Belang sei, auf welchem Berufungsgrund ihr Erbrecht basiert, und sie einen Erbschein beantragen, der sie hälftig als Erben ausweise, sind dahingehend zu verstehen, dass sie auf schnellstem Wege an einen Erbschein gelangen wollen und (was zulässig ist) hilfsweise ihr Erbrecht auch auf testamentarische Erbfolge stützen würden, sofern nur dies zum Erfolg führen würde (vgl. OLG Schleswig, Beschluss v. 15.5.2017, 3 Wx 45/16, Rn. 14).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG. Einer Festsetzung des Gegenstandswertes bedurfte es nicht, da Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben werden.
Fundstellen
Haufe-Index 15964323 |
ErbR 2023, 613 |