Leitsatz (amtlich)

1. Steht fest, dass am Klägerfahrzeug nicht kompatible Schäden vorhanden sind, und ist nicht auszuschließen, dass auch die kompatiblen Schäden auf einem früheren Schadensereignis als dem streitgegenständlichen beruhen, so ist die Klage insgesamt abzuweisen, weil nicht mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann, dass durch den zweiten, streitgegenständlichen Unfall ein weiterer Schaden verursacht worden ist.

2. Dieser Grundsatz entspricht den allgemeinen Regeln der Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess und beinhaltet nicht zwingend den Vorwurf eines unredlichen Verhaltens an den Kläger; der Grundsatz kann sich vielmehr zu Lasten des Verkehrsteilnehmers auswirken, der Vorschäden nicht sach- und fachgerecht beseitigen lässt, sondern mit einem vorgeschädigten Fahrzeug am Verkehr teilnimmt.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 733/05)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Dem Kläger wird aufgegeben, seine ladungsfähige Anschrift mitzuteilen, unter der im Rubrum genannten Anschrift konnte nicht zugestellt werden.

 

Gründe

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Senat folgt den im Wesentlichen zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet worden sind. Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

I. Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist nicht der Fall.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das LG die Klage in der angefochtenen Entscheidung abgewiesen.

1. Die Beweiswürdigung durch das LG ist nicht zu beanstanden.

a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.

Dies ist nicht der Fall, wenn sich das Gericht des ersten Rechtszuges bei der Tatsachenfeststellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht vom Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen (KG, Urt. v. 8.1.2004 - 12 U 184/02, KGReport Berlin 2004, 269; Senat, Urt. v. 10.5.2004 - 12 U 57/03; vgl. auch KG [22. ZS], KGReport Berlin 2004, 38 = MDR 2004, 533).

§ 286 ZPO fordert den Richter auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze sowie an Erfahrungssätze und ausnahmsweise gesetzliche Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. So darf er beispielsweise einer Partei mehr glauben als einem beeideten Zeugen oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung feststellen (Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 286 Rz. 13; Senat, Urt. v. 24.9.1998, - 12 U 4638/97; KG, NZV 2004, 355;).

Die leitenden Gründe und die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung hat das Gericht nachvollziehbar im Urteil darzulegen. Dabei ist es nicht erforderlich, auf jedes einzelne Parteivorbringen und Beweismittel ausführlich einzugehen; es genügt, dass nach der Gesamtheit der Gründe eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat (Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl. 2009, § 286 Rz. 3, 5).

b) An diese Regeln der freien Beweiswürdigung hat das LG sich im angefochtenen Urteil gehalten.

Es ist nicht zu beanstanden, dass das LG in seiner Entscheidung davon ausgeht, dass der klägerische Pkw im linken Seitenbereich bereits vorgeschädigt war. Es hat auf den Seiten 5 f. des Urteils dargelegt, dass und warum es insoweit den Ausführungen des Sachverständigen D.-I. S. in dessen 4. ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 25.2.2008 folgt. Dies genügt den Anforderungen an eine Beweiswürdigung.

Allein daraus, dass der Kläger selbst das Beweisergebnis anders wertet, folgt kein Rechtsfehler des LG (Senat, Beschl. v. 16.11.2006 - 12 U 223/05).

c) Entgegen der Ansicht des Klägers war das LG nicht verpflichtet, den Sachverständigen S. zur Erläuterung seines Gutachtens zu hören. Die Voraussetzungen des § 411 Abs. 3 ZPO lagen nicht vor, da die zunächst bestehenden Widersprüche zwischen dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen S. und dem Gutachten des von den Beklagten beauftragten Sachverständigen B. durch die 4. ergänzende gutachterliche Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen vom 25.2.2008 ausgeräumt worden sind. Der Kläger hat eine Anhörung des Sachverständigen S. erstinstanzlich auch nicht beantragt. Gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ist der Kläger mit seinem Antrag im zweiten Rechtszug ausgeschlossen.

d) Entgegen der Ansicht des Klägers war das LG nicht verpflichtet, ein O...

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