Entscheidungsstichwort (Thema)
Fiktive Abrechnung von Einkünften bei Kindesunterhaltsberechnungen oberhalb des Mindestunterhalts
Leitsatz (redaktionell)
1. Lebt der gegenüber minderjährigen Kindern unterhaltspflichtige Vater als Hochschullehrer in den USA und erhält während der dreimonatigen vorlesungsfreien Zeiten keine Vergütung, so ist eine fiktive Erhöhung seines Einkommens bei einem bedreits über dem Mindestunterhalt liegenden Kindesunterhalt nicht gerechtfertigt. Der Unterhaltspflichtige ist in der vorlesungs- und einkommenslosen Zeit nicht so zu behandeln, als würde er auch diesem Zeitraum Einkünfte erzielen, da er nicht verpflichtet ist, sich während der vorlesungsfreien Zeit um zusätzliche Einkünfte zu bemühen, um seinen Kindern eine noch bessere Lebensstellung zu verschaffen.
2. Die Anrechnung des auf die Kinder entfallenden hälftigen Kindergeldes auf ihren Barbedarf gemäß § 1612b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB gilt auch dann, wenn ein deutscher Unterhaltspflichtiger im Ausland lebt.
Normenkette
BGB §§ 1603, 1612b Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 11.10.2007; Aktenzeichen 177 F 12156/07) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerinnen gegen den Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 11.10.2007 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist gem. § 127 Abs. 2 S. 2 u. 3 ZPO zulässig aber nicht begründet.
Das Verfahren richtet sich gem. § 111 Abs. 1 FGG-RG noch nach dem bis 31.8.2009 geltenden Prozessrecht, da es vor dem 1.9.2009 anhängig war.
Das AG hat den Klägerinnen zu Recht Prozesskostenhilfe nicht gewährt, weil ihre Rechtsverfolgung nicht die gem. § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht bietet.
Die Voraussetzungen für die begehrte Abänderung der Urkunden des Bezirksamts TempelhofSchöneberg von Berlin vom 5.6.2001 - Beurk. Reg. Nr.: 1228/2001 und 1229/2001 - in denen der Beklagte sich verpflichtet hat, an jede der Klägerinnen 160 % des jeweiligen Regelbetrages der zweiten und dritten Altersstufe nach § 1 der jeweiligen Regelbetragsverordnung abzgl. des anrechenbaren gesetzlichen Kindergeldanteils nach § 1612b Abs. 5 BGB a.F. zu zahlen, sind nicht dargetan.
Soweit ab 1.8.2007 Abänderung dahin begehrt wird, dass der Beklagte Unterhalt in Höhe eines Betrages von 170 % des Regelbetrages nach der jeweiligen Altersstufe an jede der Klägerinnen zu leisten hat, ist eine Veränderung des tatsächlichen Einkommens gegenüber dem, welches der Beklagte zum Zeitpunkt der Anerkennung der Unterhaltsverpflichtung in den vorerwähnten Urkunden erzielt hat, von den Klägerinnen, denen insoweit die Darlegungslast obliegt, nicht dargelegt worden. Der Umstand, dass der Beklagte mittlerweile in den USA lebt und arbeitet, führt nicht dazu, dass die Klägerinnen einen höheren Unterhalt zu beanspruchen hätten. Wenn das monatliche Durchschnittseinkommen als Hochschullehrer sich ggü. dem früher in Deutschland erzielten Einkommen nicht erhöht hat, weil in den USA ein Hochschullehrer in der vorlesungsfreien Zeit keine Vergütung von seinem Arbeitgeber erhält, dann ist der Beklagte - wie das AG zutreffend ausgeführt hat - nicht so zu behandeln als würde er auch in den 3 Monaten vorlesungsfreier Zeit Einkünfte erzielen. Die Voraussetzungen für eine Zurechnung fiktiver Einkünfte sind nicht gegeben. Der Verweis der Klägerinnen auf eine gesteigerte Unterhaltspflicht des Beklagten ggü. den minderjährigen Kindern geht fehl. Die Klägerinnen verkennen, dass die gesteigerte Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern gem. § 1603 Abs. 2 BGB für den Fall gilt, dass der Unterhaltspflichtige zur Leistung des Unterhaltes ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalte außerstande ist. Darum geht es hier aber nicht. Das Maß des einem minderjährigen Kindes zu gewährenden Unterhalts richtet sich, da es noch keine selbständige Lebensstellung hat, nach der Lebensstellung des barunterhaltspflichtigen Elternteils, die im Wesentlichen bestimmt wird durch sein Einkommen. Wenn der Unterhaltspflichtige über ein Einkommen verfügt, bei dem der Unterhaltsbedarf des minderjährigen Kindes mit 160 % des Regelbetrages bemessen wird, dann besteht für ihn rechtlich keine Verpflichtung, darüber hinaus seine Arbeitskraft noch einzusetzen und sein Einkommen zu erhöhen, um seinen minderjährigen Kindern eine noch bessere Lebensstellung zu verschaffen. Der Beklagte ist entgegen der Auffassung der Klägerinnen daher nicht verpflichtet, in den Monaten, in denen er in den USA keine Vorlesungen hält, sich zusätzliche Einkünfte durch Sprachunterricht, Nachhilfeunterricht, Übersetzungen oder ähnliches zu verschaffen, um den bisherigen Unterhaltsbedarf der Klägerinnen zu erhöhen.
Soweit die Klägerinnen eine Abänderung dahin begehren, dass von dem in den oben genannten Urkunden titulierten Prozentsatz des jeweiligen Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung - der für die Zeit ab 1.1.2008 gem. Art. 36 Nr. 3a u. Nr. 4 EGZPO in einen Prozentsatz des seither nach § 1612a Abs. 1 BGB maßgeblichen Mindestunterhaltes...