Leitsatz (amtlich)
Nimmt der Erwerber einer neu errichteten Wohneinheit den Bauträger auf deren Übergabe in Anspruch und stellt der Bauträger seine Verpflichtung nicht generell in Abrede, sondern hält nur die vom Erwerber geleisteten oder Zug um Zug angebotenen Vergütungsanteile für zu gering, dann beläuft sich der Gebührenstreitwert dieser Klage nicht auf den Wert der Wohneinheit, sondern auf die Höhe des umstrittenen Vergütungsanteils.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 23 O 57/17) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 1. Dezember 2017 dahin geändert, dass der Gebührenstreitwert der ersten Instanz 16.327,48 EUR beträgt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einem Bauträgervertrag auf Übergabe der verkauften Wohnung in Anspruch.
Mit notariellem Vertrag vom 29. Juli 2013 (Anlage K 1, dort § 1) verkaufte die Beklagte der Klägerin einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück J... Straße 36 in Berlin verbunden mit Sondereigentum an der Wohnung Nr. 20 und dem Sondernutzungsrecht an dem Kellerraum Nr. 20 (Nummerierung gemäß Aufteilungsplan, im Folgenden auch: Kaufgegenstand). Daneben verpflichtete sich die Beklagte zur Errichtung des Kaufgegenstands gemäß näher bestimmten Vorgaben (§ 2a Abs. 1). Der Vertrag sieht einen Kaufpreis von 192.088,00 EUR (§ 2), die bezugsfertige Herstellung der Wohnung bis zum 30. Juni 2014 und einen näher bestimmten Schadensersatzanspruch im Fall der Terminsüberschreitung vor (§ 2a Abs. 3). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 verwiesen.
Mittlerweile hat die Beklagte die Wohnung Nr. 20 bezugsfertig hergestellt, die Klägerin hat die Abnahme des Sondereigentums erklärt. Ob die Beklagte auch die im Gemeinschaftseigentum stehenden Bereiche des Kaufgegenstands abnahmereif hergestellt hat, ist umstritten.
Die Klägerin zahlte bislang 155.591,28 EUR an die Beklagte. Weitere 20.169,24 EUR hinterlegte sie zugunsten der Beklagten beim Amtsgericht Tiergarten bis zur Vorlage einer schriftlichen Erklärung der Klägerin, wonach die Übergabe des Kaufgegenstands an sie erfolgt sei (Anlage K 4).
Zur Zahlung des restlichen Kaufpreises von 192.088,00 EUR - 155.591,29 EUR - 20.169,24 EUR = 16.327,48 EUR, was einem Anteil von 8,5 % entspricht, ist die Klägerin gegenwärtig nicht bereit. Sie beruft sich auf die fehlende Fälligkeit der Schlussrate von 3,5 % des Kaufpreises sowie ihr Recht zum Sicherheitseinbehalt von weiteren 5 % des Kaufpreises gemäß § 632a Abs. 3 S. 1 BGB a.F.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Übergabe der Wohnung Nr. 20 Zug um Zug gegen Zahlung des hinterlegten Betrages von 20.169,24 EUR sowie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten. Die Beklagte ist der Klage vor dem Landgericht entgegengetreten. Sie hat die Ansicht vertreten, erst gegen Zahlung von weiteren 9.604,40 EUR (= 5 % des Kaufpreises) zur Übergabe der Wohnung verpflichtet zu sein. Zudem hat sie im Wege der Widerklage beantragt, die Klägerin zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums zu verurteilen bzw. hilfsweise dessen Abnahmefähigkeit festzustellen. Die Klägerin hat die Abweisung dieser Widerklage beantragt.
Mit Urteil vom 1. Dezember 2017 hat das Landgericht der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Diese Entscheidung hat es im Wesentlichen darauf gestützt, dass das Gemeinschaftseigentum schon nach dem eigenen Vortrag der Beklagten mit nicht unwesentlichen Mängeln behaftet und folglich nicht abnahmefähig sei.
Mit Beschluss vom 1. Dezember 2017 hat das Landgericht den Gebührenstreitwert mit bis zu 200.000,- EUR festgesetzt.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Beschwerde. Sie meint, der Gebührenstreitwert belaufe sich auf die hinterlegte Kaufpreisrate von 20.169,24 EUR zuzüglich der fünfprozentigen Sicherheit von 9.604, 40 EUR, mithin auf 29.737,64 EUR.
II. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts ist gemäß § 68 Abs. 1 GKG zulässig.
Sie hat auch in der Sache Erfolg, da der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens nicht wie im angegriffenen Beschluss bestimmt, bis zu 200.000,- EUR beträgt, sondern nur 16.327,48 EUR. Der Senat bleibt damit als Beschwerdegericht noch unter dem Betrag, den die Beklagte und Beschwerdeführerin für richtig hält. Dies ist möglich, da der Senat auch den erstinstanzlichen Streitwert gemäß § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen festsetzen kann und deshalb nicht an das Verbot der sog. reformatio in peius gebunden ist. Damit ist seine Entscheidung nicht durch die Rechtsmittelanträge der Parteien begrenzt.
1. Der Streitwert der Klage hat in der ersten Instanz sogar nur 10.104,40 EUR betragen.
a) Nimmt der Erwerber eines Bauträgervertrags den Bauträger auf Übergabe des Kaufgegenstands in Anspruch so gilt für den Gebührenstreitwert dieser Klage gemäß §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ff ZPO:
Jedenfalls wenn der Bauträger seine Übergabepflicht nicht generell bestreitet, sondern sie nur deshalb nicht erfüllen will, weil aus seiner Sicht der Erwerber einen zu ho...