Leitsatz (amtlich)

Von einer wirtschaftlichen Neugründung ist auszugehen, wenn die Kapitalgesellschaft eine "leere Hülse" ist, also kein aktives Unternehmen betreibt, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebs - sei es auch unter wesentlicher Umgestaltung, Einschränkung oder Erweiterung seines Tätigkeitsgebiets - in irgendeiner wirtschaftlich noch gewichtbaren Weise anknüpfen kann

Eine wirtschaftliche Neugründung ist gegenüber dem Registergericht offenzulegen und der Geschäftsführer hat mit der Anmeldung der weiteren Eintragungsgegenstände entsprechend § 8 Abs. 2 GmbHG zu versichern, dass die in § 7 Abs. 2, 3 GmbHG bezeichneten Leistungen auf die Stammeinlagen bewirkt sind und der Gegenstand der Leistungen sich - weiterhin oder jedenfalls wieder - in seiner freien Verfügung befindet.

 

Normenkette

GmbHG § 8 Abs. 2, § 54 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 81 HRB 239203)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 27.06.2022 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die seit dem 24.02.2022 im Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg, Abteilung B, eingetragene Beteiligte, ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die die Eintragung ihrer am 30.03.2022 angemeldeten Änderungen der Firma sowie des Unternehmensgegenstands begehrt.

Die ursprünglich seit dem 10.07.2003 gemäß ihrem vormaligen Sitz in K im Handelsregister des Amtsgerichts Rostock, Abteilung B, eingetragene Beteiligte, verlegte Anfang des Jahres 2022 ihren Sitz nach Berlin. In der Gesellschafterversammlung vom 19.01.2022, in der die Sitzverlegung beschlossen wurde, wurde zugleich die Bestellung des Herrn AD zum Geschäftsführer sowie die Entpflichtung der bis zu diesem Zeitpunkt geschäftsführenden Gesellschafter, der Herren HF und AS, beschlossen. Eine in den Registerordner aufgenommene Gesellschafterliste vom 25.02.2022 weist Herrn AD zudem als Alleingesellschafter der Beteiligten aus.

Mit notariell beglaubigter elektronischer Erklärung vom 30.03.2022 meldete der zwischenzeitlich als Geschäftsführer eingetragene Herr AD die Änderung der Firma und des Unternehmensgegenstandes zur Eintragung an. Beigefügt war der notariell beurkundete Gesellschafterbeschluss von diesem Tag, demzufolge die Firma der Gesellschaft nicht mehr "F GmbH" sondern "D GmbH" lauten sollte und der Gegenstand des Unternehmens statt "die Konstruktion, die Produktion und die Montage von Wintergarten und Wintergartenanlagen; der Vertrieb von Zubehör für Wintergärten; alle mit dieser Produktion im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten." die "sonstige Verwaltung und Führung von Unternehmen und Betrieben" sein sollte.

Mit Schreiben vom 19.04.2022 wies das Registergericht darauf hin, dass die Summe der erkennbaren Umstände, insbesondere Firmen- und Gegenstandsänderung, darauf schließen ließe, dass ein Fall einer wirtschaftlichen Neugründung in der Form der Mantelverwendung gegeben sei. Die wirtschaftliche Neugründung sei offenzulegen und die Versicherung entsprechend § 8 Abs. 2 GmbHG abzugeben. Einzureichen sei daher eine auf das Ende des letzten Wirtschaftsjahres aufgestellte und durch die Geschäftsführung unterzeichnete Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung.

Mit Schreiben vom 30.05.2022 setzte das Amtsgericht der Beteiligten zu 1) eine Frist zur Einreichung von zwei Wochen, die fruchtlos verstrich, und wies die Anmeldung mit Beschluss vom 27.06.2022 zurück, der am 29.06.2022 zugestellt wurde. Der hiergegen durch den die Anmeldung einreichenden Notar eingelegten Beschwerde vom 30.06.2022, der eine auf den Dezember 2021 bezogene Summen- und Saldenliste der Gesellschaft beigefügt war, half das Amtsgericht mit Beschluss vom 08.08.2022 nicht ab. Der vom Registergericht zuvor erteilte Hinweis im Schreiben vom 18.07.2022, erforderlich sei eine auf das Ende des letzten Wirtschaftsjahres aufgestellte und durch die Geschäftsführung unterzeichnete Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung nicht vorgelegt worden sei, blieb unberücksichtigt.

II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1. Die Beschwerde vom 30.06.2022, für die der einreichende Notar nicht der in der Verfügung vom 15.08.2022 mitgeteilten Auslegung des Senats entgegengetreten ist, er habe sie im Namen der Gesellschaft eingelegt, ist zulässig. Sie ist nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben (§§ 64 Abs. 2; 63 Abs. 1 FamFG). Der Beschluss vom 27.06.2022 wurde am 29.06.2022 zugestellt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist am 30.06.2022 eingegangen.

Die Beteiligte ist auch unmittelbar in ihren eigenen Rechten im Sinne des § 59 Abs. 1, 2 FamFG beeinträchtigt, da die Zurückweisung der Anmeldung ihre Firma und ihren Unternehmensgegenstand betrifft. Auch der Beschwerwert nach § 61 Abs. 1 FamFG ist erreicht. Maßgebend ist insoweit die wirtschaftliche Bedeutung, die bei Kapitalgesellschaften in der Regel mit einem über den nach § 61 Abs. 1 FamFG hinausgehenden Wert zu bemessen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 17.01.2022 - 22 W 79/21 - n. v.).

2. Die Be...

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