Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsmäßige Betreuung bei Bestellung eines Rechtsanwalts

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 22.03.2010; Aktenzeichen 87 T 286/09)

AG Berlin-Tiergarten (Aktenzeichen 50 XVII 6588)

 

Tenor

Der Beschluss des LG Berlin vom 22.3.2010 - 87 T 286/09 - wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Betreuung durch den Beteiligten im Rahmen seiner mit Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 19.12.2007 erfolgten Bestellung berufsmäßig geführt worden ist.

 

Gründe

I. Die weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie formgerecht erhoben worden, § 29 Abs. 1 S. 2 FGG. Es finden die bis zum 31.8.2009 geltenden Vorschriften Anwendung, weil das der Beschwerde zugrunde liegende Verfahren vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden ist, Art. 111 Abs. 1 FGG-ReformG. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten folgt schon aus der Zurückweisung seiner Erstbeschwerde durch das LG (Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 27 Rz. 10).

II. Die weitere Beschwerde ist begründet.

1. Das LG hat ausgeführt, eine rückwirkende Feststellung der berufsmäßigen Betreuungsführung sei nicht möglich. Diese Feststellung habe konstitutive Wirkung und diene der Rechtsklarheit und Kalkulierbarkeit für die Vergütungsfrage. Der Gesetzeszweck stehe einer rückwirkenden Anerkennung der Berufsbetreuereigenschaft entgegen, wenn das Gericht den Betreuer - wie hier - bewusst als ehrenamtlichen Betreuer ausgewählt habe. Der Beteiligte hätte, wenn er zur ehrenamtlichen Betreuung nicht bereit gewesen sei, unmittelbar nach Erhalt des Beschlusses vom 19.12.2007 auf Feststellung der berufsmäßigen Betreuungsführung oder seine Entlassung dringen können. Ob eine rückwirkende Feststellung auf den Zeitpunkt des Antrags vom 11.6.2009 möglich wäre, könne offen bleiben. Die Voraussetzungen für die begehrte Feststellung lägen nicht vor, weil der Beteiligte Betreuungen nicht in genügendem Ausmaß führe und er auch nicht wegen seiner beruflichen Qualifikation, sondern wegen des Vorschlags des Betroffenen bestellt worden sei. Es sei nicht erkennbar, dass die Führung dieser Betreuung wegen der Schwierigkeit und/oder zeitlichen Belastung den Rahmen dessen sprengte, was bei einer ehrenamtlichen Betreuungsführung - auch durch einen Rechtsanwalt - geleistet werden könne.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung, §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO, nicht stand.

Allerdings ist es im Ausgang nicht zu beanstanden, dass das LG Feststellungen zur berufsmäßigen Führung der Betreuung konstitutive Wirkung beimisst, die, wenn sie unterlassen worden sind, rückwirkend nicht getroffen werden können. Entsprechend hat der Senat in einem die Vergütung eines Betreuungsvereins betreffenden Verfahren u.a. ausgeführt (KG, Beschl. v. 24.1.2006 - 1 W 172/05, Rpfleger 2006, 398, 399):

"Das Vormundschaftsgericht hat bei der Bestellung eines Betreuers eine Reihe von Entscheidungen zu treffen, die für das weitere Verfahren von konstitutiver Bedeutung sind und nachträglich nicht mehr in Frage gestellt werden können. Dies gilt u.a. für die Feststellung, dass die Betreuung beruflich geführt wird, §§ 1908i Abs. 1, 1836 Abs. 1 S. 2 BGB (OLG Frankfurt FamRZ 2001, 790; BtPrax 2003, 181). Die zu Beginn der Betreuung getroffene Feststellung dient der Rechtsklarheit und Kalkulierbarkeit (BT-Drucks. 13/10331, 27 li. Sp.). Müsste die berufsmäßige Führung der Betreuung bei jeder Entscheidung über die Bewilligung einer Vergütung neu getroffen werden, könnte sich der Betreuer, der aufgrund der Vergütung nach Zeitaufwand in Vorleistung zu treten hat, nicht darauf verlassen, für seine Tätigkeit auch bezahlt zu werden. Dies insbesondere dann, wenn sich die Anzahl der von ihm geführten Betreuungen oder die hierfür erforderliche Zeit später aus welchen Gründen auch immer unter den in § 1836 Abs. 1 S. 4 BGB aufgezählten Regelbeispielen bewegen sollten. Deshalb kann die einmal getroffene Feststellung nicht mit rückwirkender Kraft aufgehoben werden, weil die Voraussetzungen von Anfang an nicht vorlagen (BayObLG, BtPrax 2000, 34). Ebenso wenig kann im umgekehrten Fall die Berufsbetreuereigenschaft rückwirkend anerkannt werden, wenn der Betreuer bewusst ehrenamtlich bestellt worden war (BayObLG, NJW-RR 2001, 943)."

Diese Grundsätze schließen es aber nicht aus, dass ein Betreuer gegen den Beschluss, mit dem er bestellt worden ist, Beschwerde einlegt mit dem Ziel der Ergänzung um die Feststellung der berufsmäßigen Führung der Betreuung. In einem solchen Fall wirkt die Ergänzung auf den Zeitpunkt der Bestellung zurück (OLG Brandenburg, BeckRS 2008, 25054). Da eine solche Beschwerde nach dem anzuwendenden Verfahrensrecht keinen zeitlichen Schranken unterliegt, musste sich der Beteiligte entgegen der Ansicht des LG nicht unmittelbar nach Erhalt des Beschlusses vom 19.12.2007 um die Feststellung der berufsmäßigen Betreuungsführung bemühen. Danach ist der Antrag des Beteiligten vom 11.8.2009 tatsächlich als Beschwerde gegen die Betreuerbestellung und insoweit beschränkt...

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