Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Bindungswirkung eines in Unkenntnis landesrechtlich geregelter - amtsgerichtlicher - Zuständigkeiten ergangenen Verweisungsbeschlusses.

 

Leitsatz (amtlich)

Die Voraussetzungen für ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts liegen nicht vor, wenn das in einem Verweisungsbeschluss als zuständig bezeichnete Gericht die Akten lediglich an das verweisende Gericht zurückgibt, ohne seine Entscheidung den Beteiligten bekannt zu geben (Anschluss an OLG Frankfurt/Main, FamRZ 2017, 236; OLG Hamm, FamRZ 2016, 1391, 1392).

 

Normenkette

FamFG §§ 3, 5, 342-343; GBO § 1; GerOrgG BW § 6; ZuwVG § 1; GVG §§ 13a, 23d; JustG Bln § 3; SubVOJu BW §§ 3, 15; ZuVOJu BW §§ 3a, 5b; ZuwV Bln § 18 S. 2

 

Tenor

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

 

Gründe

1. Das zuständige Gericht wird durch das nächsthöhere gemeinsame Gericht bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für das Verfahren zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben, § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG. Ist das nächsthöhere gemeinsame Gericht der Bundesgerichtshof, wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört, § 5 Abs. 2 FamFG. Letzteres ist hier der Fall, weil das zuerst mit der Sache befasste Amtsgericht Schöneberg zum Bezirk des Kammergerichts gehört, das Amtsgericht Villingen-Schwenningen hingegen nicht. Gleichwohl kann der Senat den zwischen den Amtsgerichten bestehenden Streit über die Zuständigkeit nicht entscheiden, weil es an einer rechtskräftigen Entscheidung des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen mangelt.

Das Amtsgericht Villingen-Schwenningen hat schon nicht durch Beschluss entschieden (hierzu: Sternal, in: Keidel, FamFG, 20. Aufl., § 5, Rdn. 25), sondern seine dem (verweisungs-)Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 30. November 2091 entgegenstehende Auffassung lediglich in zwei Schreiben vom 2. Februar 2022 und 24. Februar 2022 zum Ausdruck gebracht.

Allerdings wird vertreten, dass der Begriff der Rechtskraft im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG weit zu verstehen sei, so dass auch sich gegenseitig ausschließende, verbindliche Stellungnahmen der beteiligten Gerichte genügen sollen (Prütting, in: Prütting/Helms, FamFG, 5. Aufl., § 5, Rdn. 23). Vorausgesetzt wird in jedem Fall aber wenigstens die Bekanntgabe der Entscheidungen an die Verfahrensbeteiligten (OLG Hamm, FamRZ 2016, 1391, 1392; vgl. auch OLG Hamm, FamRZ 2020, 1912). Nur dann erlangen die Unzuständigkeitserklärungen Außenwirkung, was für die Annahme von Rechtskraft wenigstens zu verlangen ist (OLG Frankfurt/Main, FamRZ 2017, 236). Deutlich wird dies nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der in § 3 Abs. 1 S. 2 FamFG getroffenen Regelung.

Das Amtsgericht Villingen-Schwenningen hat es aber unterlassen, seine Auffassung wenigstens der Antragstellerin bekannt zu geben. Seine Tätigkeit beschränkt sich bislang lediglich auf die - interne - Korrespondenz mit dem Amtsgericht Schöneberg.

2. Vorsorglich weist der Senat - noch - ohne Bindungswirkung darauf hin, dass dem Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 30. November 2021 keine Bindungswirkung zukommen dürfte.

a) Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Schöneberg beruht auf dem in Baden-Württemberg belegenen und zum Nachlass der Erblasserin gehörenden Grundstück, § 343 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 FamFG. Seine Zuständigkeit hat das Amtsgericht Schöneberg auch erkannt und sich für örtlich zuständig erklärt. Mit seinem Beschluss vom 30. November 2021 hat es von seiner Befugnis nach § 343 Abs. 3 S. 2 FamFG Gebrauch gemacht und die Sache dem Amtsgericht Villingen-Schwenningen übertragen. Das ist grundsätzlich auch nicht zu beanstanden, weil der Ort der Belegenheit eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks grundsätzlich einen sachlichen Anknüpfungspunkt für eine Verweisung aus wichtigem Grund darstellen kann.

b) Das Amtsgericht Schöneberg hat dabei allerdings ohne weitere Aufklärung der in Baden-Württemberg geregelten amtsgerichtlichen Zuständigkeiten entschieden. Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen hat - im Ergebnis zutreffend - auf diese hingewiesen, bedauerlicherweise dabei aber keinerlei landesrechtliche Rechtsnormen erwähnt.

Tatsächlich ist das Grundstück im Bezirk des Amtsgerichts St. Blasien belegen, Nr. 87.1 der Anlage zu § 6 des Gesetzes über die Organisation der ordentlichen Gerichte in Baden-Württemberg (Gerichtsorganisationsgesetz). Damit hat es aber nicht sein bewenden. Die Zuständigkeit für Nachlasssachen, § 342 Abs. 1 FamFG, im Bezirk des Amtsgerichts St. Blasien ist dem Amtsgericht Waldshut-Tiengen zugewiesen, § 23d S. 1 GVG, § 3 Verordnung der Landesregierung zur Übertragung von Ermächtigungen im Bereich der Rechtspflege (Subdelegationsverordnung Justiz - SubVOJu), § 3a Abs. 1 Nr. 7 Verordnung des Justizministeriums über die Zuständigkeiten in der Justiz (Zuständigkeitsverordnung Justiz - ZuVOJu), während dem Amtsgericht Villingen-Schwenningen die Führung der Grundbücher - auch - fü...

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