Leitsatz (amtlich)
Der Eigentümer eines Wohngrundstücks ohne erhöhten Publikumsverkehr ist in der Sylvesternacht zwischen 20 Uhr abends und 9 Uhr morgens nicht zum Winterdienst verpflichtet.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 6 O 185/17) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. Januar 2018 durch Beschluss zurückzuweisen, da sie offensichtlich ohne Erfolgsaussichten ist, der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 ZPO).
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines Glatteisunfalls in Anspruch.
Am 31. Dezember 2015 stürzte die Klägerin zwischen 22.40 Uhr und 23.30 Uhr und zog sich dabei eine offene Fraktur der rechten Patella zu, die operativ versorgt werden musste. Sie behauptet, zu dem Sturz sei es auf dem Gehweg vor dem Grundstück T... Straße, ... Berlin gekommen, weil dieser aufgrund von Glatteis rutschig gewesen sei. Die Beklagte zu 1) ist Eigentümerin dieses Grundstücks, sie beauftragte die Beklagte zu 2) mit der Durchführung des Winterdienstes.
Mit Urteil vom 17. Januar 2018 hat das Landgericht die Klage gegen beide Beklagten abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, aus dem Vorbringen der Klägerin ergebe sich nicht, dass die Glätte bereits vor 20 Uhr bestanden habe. Bei danach auftretendem Glatteis müsse der Streupflichtige den Winterdienst erst bis 7 Uhr des folgenden Tages bzw. bei Sonn- oder gesetzlichen Feiertagen bis 9 Uhr ausführen (§ 3 Abs. 1 Berliner Straßenreinigungsgesetz), sodass die Beklagten davor ihre Verkehrssicherungspflichten im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB nicht verletzt hätten.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen und den weiteren Einzelheiten der Begründung des Gerichts wird auf das Urteil vom 17. Januar 2018 verwiesen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, zu deren Begründung sie ihr erstinstanzliches Vorbringen vertieft.
II. Die Berufung der Klägerin hat keine Erfolgsaussichten. Das Landgericht hat ihre Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.
Es kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass sich der Unfall so wie von ihr vorgetragen ereignet hat. Auch in diesem Fall steht nicht fest, dass ihre Verletzungen auf eine Verkehrspflichtverletzung der Beklagten zurückgehen. Es ergibt sich nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, dass sich im Bereich der T... Straße ... schon vor 20 Uhr Glatteis gebildet hatte. Somit kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Glatteis erst danach auftrat. In diesem Fall hätte der Winterdienst erst bis zum Morgen des 1. Januar 2016, 9 Uhr, durchgeführt werden müssen, da dieser ein gesetzlicher Feiertag ist (§ 3 Abs. 1 Berliner Straßenreinigungsgesetz).
Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass der unterlassene Winterdienst im Grundsatz erst von diesem Zeitpunkt an eine Pflichtwidrigkeit darstellt.
Vor besonders frequentierten Orten (Bahnstationen, Gaststätten, Veranstaltungsorte etc.) mag Anderes gelten, dort kann auch zur Nachtzeit eine Pflicht zum Winterdienst bestehen. Um einen solchen Ort handelt es sich hier aber nicht.
Vor einem Wohngrundstück ohne erhöhten Publikumsverkehr besteht auch in der Sylvesternacht keine gesteigerte Winterdienstpflicht. Dies ist weder dem Berliner Straßenreinigungsgesetz zu entnehmen noch aus anderen Gründen geboten. Dass sich in dieser Nacht zur Feier des Jahreswechsels eine höhere Anzahl von Menschen vorüber gehend im Freien befindet, muss keineswegs den Winterdienst der Eigentümer privater Wohngrundstücke verschärfen, denn es gibt keinen Grundsatz, dass gegen jedwedes Fremdrisiko Vorkehrungen getroffen werden müssten.
Aus demselben Grund besteht in aller Regel - und so hier - auch keine Pflicht zum vorbeugenden Winterdienst. Vielmehr ist es ausreichend, wenn der Winterdienst unverzüglich nach dem Auftreten von Schnee oder Eisglätte geleistet wird - im Fall des Auftretens während der Nacht also bis zum folgenden Morgen.
Diese Bestimmung der Reichweite des Winterdienstes durch § 3 Abs. 1 Berliner Straßenreinigungsgesetz verstößt auch nicht gegen Bundesrecht - etwa § 823 Abs. 1 BGB -, sondern konkretisiert lediglich den Umfang der bundesgesetzlichen Verkehrssicherungspflicht.
Im Übrigen wird auf die in jedem Punkt zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen, denen sich der Senat anschließt.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen dreier Wochen.
Fundstellen
Dokument-Index HI13108659 |