Leitsatz (amtlich)
Eine anrechenbare Geschäftsgebühr entsteht nicht, wenn die obsiegende Partei mit ihrem Prozessbevollmächtigten für dessen vorgerichtliche Tätigkeit eine Vergütungsvereinbarung getroffen hat, die den Ausschluss der Anrechnungsvorschriften zum Gegenstand hat.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 08.04.2010; Aktenzeichen 19 O 723/09) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 4.5.2010 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Berlin vom 8.4.2010 - 19 O 723/09 - geändert:
Die nach dem Versäumnisurteil des LG Berlin vom 4.2.2010 von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden auf 1.280,05 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 25.2.2010 festgesetzt.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 290,06 EUR.
Gründe
I. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig (§ 11 Abs. 1 und 2 RPflG, § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 569 ZPO) und begründet.
1. Das Beschwerdegericht ist trotz der verfahrensfehlerhaft in Form einer Verfügung getroffenen Entscheidung des LG zur Entscheidung über die Beschwerde befugt (vgl. KGReport Berlin 2008, 204; KG AGS 2009, 213).
2. Die der Klägerin entstandenen außergerichtlichen Kosten sind wie folgt erstattungsfähig:
1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG |
487,50 EUR |
0,5 Terminsgebühr gem. Nr. 3105 RVG-VV |
187,50 EUR |
Pauschale gem. Nr. 7002 RVG-VV |
20 EUR |
Umsatzsteuer (Nr. 7008 RVG-VV) |
132,05 EUR |
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827,05 EUR. |
Hinzuzusetzen sind Gerichtskosten i.H.v. |
453 EUR. |
3. Eine anrechenbare Geschäftsgebühr entsteht nicht, wenn die obsiegende Partei mit ihrem Prozessbevollmächtigten für dessen vorgerichtliche Tätigkeit eine nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zulässige Vergütungsvereinbarung getroffen hat. Die Anrechnungsbestimmung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV erfasst nach ihrem Wortlaut nur den Anfall einer Geschäftsgebühr gemäß der gesetzlichen Regelung in Nr. 2300 RVG-VV und ist damit auf eine vorgerichtliche Tätigkeit mit Vereinbarung eines Honorars nicht anwendbar; es verbleibt mithin bei dem Ansatz der vollen Verfahrensgebühr. (BGH NJW 2009, 3364; BGH NJW-RR 2010, 359; KG AGS 2009, 213; Müller-Rabe in: RVG, 19. Aufl., § 15a RVG, Rz. 33 sowie VV Vorbem. 3, Rz. 185).
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 12.3.2010 die Abschrift einer schriftlichen Vergütungsvereinbarung vom 12./13.10.2009 vorgelegt, aus der hervorgeht, dass eine Anrechnung von Gebühren aus früheren Tätigkeiten nicht stattfinden soll.
Auch eine Vergütungsvereinbarung, die nur den Ausschluss der Anrechnungsvorschriften zum Gegenstand hat, führt dazu, dass die Bestimmung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV im Kostenfestsetzungsverfahren nicht anzuwenden ist (vgl. Hansens, RVGreport 2008, 321, 324).
Zweifel an der Wirksamkeit der Vergütungsvereinbarung im Hinblick auf § 3a RVG bestehen nicht.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2540274 |
JurBüro 2010, 528 |
AGS 2010, 511 |
BerlAnwBl 2010, 483 |
RVGreport 2010, 343 |