Leitsatz (amtlich)
Ist in derselben Angelegenheit die durch außergerichtliche Tätigkeit entstandene Geschäftsgebühr bereits im Erkenntnisverfahren tituliert worden, findet stets eine Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren statt; hierbei kann offen bleiben, ob die Anrechnung grundsätzlich zu erfolgen hat (BGH, Beschl. v. 29.9.2009 - X ZB 1/09 m.w.N.) oder nur unter den Voraussetzungen des § 15a Abs. 2 RVG (so BGH, Beschl. v. 11.3.2010 - IX ZB 82/08 m.w.N.), da eine Berufung des Gegners auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15a Abs. 2 RVG nicht erforderlich ist.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 38 O 455/09) |
Gründe
I. Das LG Berlin hat mit Versäumnisurteil vom 14.1.2010 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 31.3.2010 die Beklagte u.a. verurteilt, an die Klägerin 1.999,23 EUR zu zahlen.
Dieser Entscheidung des LG hat der Vortrag der Klägerin gem. S. 7 - 9 der Klageschrift zugrunde gelegen, dass in dieser Höhe durch die außergerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der selben Sache eine Geschäftsgebühr gem. RVG - VV Nr. 2300 in Höhe des 1,3-Mittelwertes entstanden sei. Zugleich hat die Klägerin in der Klageschrift ausgeführt, dass die Anrechnung der Verfahrensgebühr auf die Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren vorzunehmen sei (S. 9 der Klageschrift). Im Kostenfestsetzungsantrag vom 9.2.2010 hat die Klägerin die Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV in Höhe des vollen Gebührensatzes von 1,3 angesetzt.
In dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24.3.2010 hat das LG die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV anteilig um die Geschäftsgebühr Nr. 2300 RVG-VV i.H.v. 0,65 und damit um 987,67 EUR brutto in Anrechnung gebracht.
Gegen diesen am 12.4.2010 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 22.4.2010, eingegangen beim LG am 23.4.2010. Mit Beschluss vom 4.5.2010 hat das LG Berlin der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Klägerin meint, dass die Anrechnungsvorschrift in Anlage 1, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV nicht einschlägig sei, da der auf das Innenverhältnis beschränkte sachliche Anwendungsbereich dieser Vergütungsregelung auf getroffene Vergütungsvereinbarungen wie in dem vorliegenden Fall keine Anwendung finden, da die gesetzlichen Geschäftsgebühren nach RVG und die gesetzlich vorgesehene Anrechnung durch die Vereinbarung der Parteien ausdrücklich ausgeschlossen seien (Vergütungsvereinbarung vom 10./11.9.2009 = Bl. 38 f. d.A.). Zudem beziehe sie sich auf die Rechtsprechung, nach der die Anrechnungsvorschrift grundsätzlich nicht zur Anwendung komme, da sie sich im Außenverhältnis nicht auswirke. Selbst bei Anwendung des § 15a RVG auf Altfälle, finde diese Vorschrift keine Anwendung, da die Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt seien. So habe sich unstreitig die Beklagte nicht auf § 15a Abs. 2 ZPO berufen. Eine Prüfung von Amts wegen habe nicht stattzufinden.
II. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet, denn die von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV war anteilig zur Hälfte um die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV zu kürzen.
Nach der Anrechnungsvorschrift in Anlage 1, Teil 3, Vorbemerkung 3, Abs. 4 RVG-VV wird eine Geschäftsgebühr, die wegen desselben Gegenstandes nach den Nr. 2300 - 2303 entsteht, grundsätzlich zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Diese Voraussetzungen liegen hier hingegen der Ansicht der Klägerin vor.
Die Klägerin hat auf S. 8 der Klageschrift vorgetragen, dass durch die außergerichtliche Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten in der selben Sache eine Geschäftsgebühr i.H.v. 1,3 gem. Nr. 2300 RVG-VV entstanden sei. Aufgrund dieses Vortrages ist das Versäumnisurteil des LG ergangen, das mittlerweile rechtskräftig ist. Soweit die Klägerin nunmehr im Kostenfestsetzungsverfahren vortragen will, dass keine gesetzliche Gebühr entstanden sei, sondern sie mit ihrem Prozessbevollmächtigten hinsichtlich der außergerichtlichen Tätigkeit eine individuelle Gebührenvereinbarung getroffen habe, steht dieser Vortrag nicht im Einklang mit der eingereichten Vergütungsvereinbarung vom 10./11.9.2009, da sich diese gem. Ziff. 1 der Vereinbarung ausdrücklich nur auf anwaltliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem "gerichtlichen Verfahren" bezieht, also ausdrücklich nicht auf die hier streitgegenständliche Geschäftsgebühr. Gegenstand des Kostenfestsetzungsverfahrens ist auch die Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV, wie sich bereits aus dem eigenen Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin vom 9.2.2010 ergibt. Die behauptete individuelle Vergütungsvereinbarung steht daher der Anwendung der Anrechnungsvorschrift nicht entgegen, da im Kostenfestsetzungsverfahren nicht die Festsetzung individuell vereinbarter Rechtsanwaltshonorare beantragt wird.
Unerheblich ist, dass die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter im Innenverhältnis die Anrechnung einer außergerichtlichen Geschäftsgebühr in der Vergütungsvereinb...