Leitsatz (amtlich)
Durch einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO kann grundsätzlich das rechtliche Gehör einer Partei nicht verletzt werden.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 23.02.2005; Aktenzeichen 18 O 456/03) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 23.2.2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 18 des LG Berlin - 18 O 456/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Streitwert für die Berufung wird auf 10.476.990,05 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Berufung war durch einstimmigen Beschluss nach § 522 ZPO zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO). Hinsichtlich der weiteren Begründung wird zunächst auf den Hinweis nach § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO verwiesen.
Der Senat sieht auch nach erneuter Beratung unter Berücksichtigung des Schriftsatzes der Beklagten vom 2.12.2005 keinen Anlass davon abzuweichen.
Die Angriffe der Beklagten dagegen, dass der Senat ihr in diesem Rechtsstreit einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO erteilt hat, beruhen auf einer Verkennung der Rechtslage und deuten darauf hin, dass die Beklagte offenbar völlig unzutreffende Vorstellungen von der Arbeitsweise eines Berufungsgerichts hat. Dies gilt insb. für die Unterstellung, "dass sich der Senat offensichtlich nicht mit den streitigen und zugegebener Maßen höchst komplexen Bauzeitfragen zum L. beschäftigen möchte", die mit aller Deutlichkeit und Schärfe zurückzuweisen ist. Die Meinung der Beklagten, dass die Durchführung des Verfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO mit weniger Arbeit verbunden ist als dies bei einem Verfahren mit mündlicher Verhandlung der Fall ist, ist unzutreffend. Die Erarbeitung eines Hinweises nach § 522 Abs. 2 ZPO erfordert im Allgemeinen ebensoviel Aufwand wie die Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung. Die Beratung im Senat erfordert häufig - insb. in umfangreichen Fällen wie dem vorliegenden - sogar mehr Aufwand, da dieses in Anbetracht der Notwendigkeit, dass alle Mitglieder des Senats von dem Ergebnis überzeugt sein müssen, erforderlich ist.
Nach § 522 Abs. 2 ZPO weist das Berufungsgericht die Berufung durch einstimmigen Beschluss unverzüglich zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass 1. die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, 2. die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und 3. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert. Wie sich aus dieser Vorschrift klar und deutlich ergibt, hat der Senat die Berufung durch einstimmigen Beschluss unverzüglich zurückzuweisen, wenn er davon überzeugt ist, dass die genannten Voraussetzungen vorliegen. § 522 Abs. 2 ZPO eröffnet keinen Ermessensspielraum. Es besteht lediglich ein Beurteilungsspielraum für die Frage, ob die Voraussetzungen für das Beschlussverfahren vorliegen. Das Berufungsgericht muss von dem Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO Gebrauch machen, wenn es nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage einstimmig der Ansicht ist, dass die Tatbestandsmerkmale dieser Norm im konkreten Fall erfüllt sind (st. Rspr. des KG; KG v. 2.11.2004 - 7 U 50/04, KGReport 2005, 109). Dabei genügt es im Rahmen des § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, das die Berufung keine Erfolgsaussicht hat. Auf die Qualität der Berufungsbegründung kommt es nicht an. Das Rechtsmittel muss daher auch nicht offensichtlich unbegründet sein; es reicht aus, wenn das erkennende Gericht einstimmig der Ansicht ist, dass die Berufung als unbegründet zurückzuweisen ist und die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO vorliegen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist § 522 Abs. 2 ZPO keineswegs eine Ausnahmevorschrift, die nur bei Extremfällen zum Tragen kommt. Für die Durchführung des Beschlussverfahrens ist auch der Streitwert nicht maßgebend; anderenfalls hätte der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung treffen müssen. Davon hat er keinen Gebrauch gemacht und damit in Kauf genommen, dass die wirtschaftliche Bedeutung, die der Rechtsstreit für die Parteien im Einzelfall haben könnte, keine entscheidungserhebliche Rolle für die Verfahrensart spielt.
Das Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO gewährleistet grundsätzlich, dass das rechtliche Gehör zu den die Berufungszurückweisung tragenden Gründen von vornherein umfassend gewahrt ist (OLG Koblenz v. 21.4.2005 - 10 U 2/04, OLGReport Koblenz 2005, 680). Die demnach nicht zuletzt auf die Entbehrlichkeit einer mündlichen Verhandlung abstellenden Erwägungen des Gesetzgebers sind sowohl mit Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG als auch mit Art. 6 EMRK vereinbar, weil keine dieser Bestimmungen einen zwingenden Anspruch auf mündliche Verhandlung begründet (BVerfG v. 5.8.2002 - 2 BvR 1108/02, NJW 2003, 281; OLG Düsseldorf v. 3.2.2005 - II-4 UF 150/04, NJW 2005, 833; OLG Celle v. 6.6.2002 - 2 U 31/02, OLGReport Celle 2003, 9 = NJW 2002, 2800; OLG Koblenz v. 20.2.2...