Leitsatz (amtlich)
1. Das Rechtsschutzbedürfnis einer Aktionärin für ein Verfahren gem. § 147 Abs. 2 S. 1 AktG auf Abberufung eines von der Hauptversammlung bestellten besonderen Vertreters entfällt nicht deshalb, weil die Aktionärin gegen den bestellenden Beschluss die Anfechtungsklage gem. § 246 AktG hätte erheben können.
2. Zur Auswahl eines besonderen Vertreters gem. § 147 Abs. 2 S. 2 AktG.
3. Zur Anhörung des besonderen Vertreters im Beschwerdeverfahren auf seine Abberufung.
Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Beschluss vom 25.10.2011; Aktenzeichen 83 HRB 77581 B) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. vom 3.11.2011 gegen den Beschluss des AG Charlottenburg vom 25.10.2011 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligte zu 1. hat die der Beteiligten zu 2. im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen aussergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 25.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Beteiligte zu 1. hält 253.347 auf den Namen lautende Stückaktien an der Beteiligten zu 3., die Beteiligte zu 2. weitere 56.303. Die restlichen 12.618 der insgesamt 322.268 Stückaktien hält die Beteiligte zu 3. als eigene Aktien.
Auf Antrag der Beteiligten zu 2. hatte das AG Charlottenburg diese mit Beschluss vom 12.9.2011 als Minderheitsaktionärin ermächtigt, eine ausserordentliche Hauptversammlung der Beteiligten zu 3. einzuberufen, um auf dieser die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Beteiligten zu 3. gegen die Beteiligte zu 1. und deren Vorstandsvorsitzenden gem. § 147 Abs. 1 Satz 2 AktG zu beschließen und den Beteiligten zu 4. zum besonderen Vertreter gem. § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG zu bestellen. Auf der durch den vom Registergericht zum Versammlungsvorsitzenden bestellten Rechtsanwalt Dr. O. auf den 17.10.2011 einberufenen ausserordentlichen Hauptversammlung wurden mit den Stimmen der Beteiligten zu 2. u.a. die vorgenannten Beschlüsse gefasst.
Mit Antrag vom 18.10.2011 begehrte die Beteiligte zu 1. die Abberufung des Beteiligten zu 4. und die Bestellung eines anderen besonderen Vertreters. Ein Handeln des Beteiligten zu 4. im Interesse der Beteiligten zu 3. sei nicht gewährleistet. Zum einen bestünden erhebliche Zweifel an seiner Neutralität und Unabhängigkeit. Zum anderen bestehe Grund zur Annahme, dass das an die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat der Beteiligten zu 3. gerichtete Auskunftsverlangen unter Einwirkung der Beteiligten zu 2. gefertigt worden sei. Nach Anhörung der Beteiligten zu 2. hat das AG Charlottenburg mit Beschluss vom 25.10.2011 (Bl. I 184) den Antrag zurückgewiesen. Dem Vorschlag der Minderheitsaktionärin sei nur dann nicht zu folgen, wenn eine grob unsachgemäße Anspruchsverfolgung zu befürchten sei. Das Bestehen einer solchen Gefahr habe die Beteiligte zu 1. nicht hinreichend mit Tatsachen unterlegt.
Gegen diesen ihr am 28.10.2011 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 1. mit beim AG Charlottenburg am 3.11.2011 per Telefax eingegangenem Schreiben vom selben Tage Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig und durch ergänzendes Schreiben vom 8.11.2011 begründet (Bl. I 191 ff., 242 ff.). Das Registergericht habe die von § 147 Abs. 2 AktG geforderte Zweckmäßigkeitserwägung nicht angestellt. Es gäbe mehrere tatsächliche, für ein missbräuchliches Vorgehen der Beteiligten zu 2. sprechende Anhaltspunkte (Bl. I 198 ff.). Auch bestünden Zweifel an der Neutralität des Beteiligten zu 4. Dessen Vergütungsvorstellungen von 450 EUR pro Stunde seien nicht gerechtfertigt und der Beteiligten zu 3. nicht zumutbar. Dies gelte auch für das Ansinnen des Beteiligten zu 4. auf den Abschluss einer von der Beteiligten zu 3. zu zahlenden Haftpflichtversicherung bei gleichzeitiger Vereinbarung einer Haftungsbegrenzung auf die Höhe der Versicherungssumme. Der Beteiligte zu 4. habe sich bisher nicht wie ein neutraler unabhängiger Vertreter der Gesellschaft verhalten. Er habe bereits vor Prüfung etwaiger Ansprüche einen Gerichtskostenvorschuss von der Beteiligten zu 3. i.H.v. 270.000 EUR gefordert. Die Möglichkeit einer Kostenreduzierung für alle Beteiligten durch Abschluss einer Streitwertbegrenzungsabrede habe er nicht in Erwägung gezogen. Er nehme auf Unternehmensinteressen der Beteiligten zu 3. keinerlei Rücksicht. Ein Auswechseln des Beteiligten zu 4. durch den gerichtlich bestellten Vorsitzenden der ausserordentlichen Gesellschafterversammlung vom 17.10.2011 würde keine Mehrkosten verursachen, da sich letzterer in die maßgebende Materie eingearbeitet habe und auch das besondere Vertrauen der Beteiligten zu 2. genieße. Zudem habe er eine Dienstleistung zu wesentlich günstigeren Konditionen zugesagt. Die Beteiligte zu 1. erkläre für den Fall des Austauschs des besonderen Vertreters gegen Rechtsanwalt Dr. O. auf die Verjährungseinrede bis zum 31.3.2012 zu verzichten. Nur durch die Bestellung von Dr. O. sei den Interessen der Beteiligten zu 1. und 2. gedient.
Die Beteiligte zu 3. unterstützt und vertieft das Vorbringen der Beteiligten zu 1.
Die Beteiligte zu 2...