Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung der Kosten eines Verkehrsanwalts in zweiter Instanz in Höhe fiktiver Kosten einer Informationsreise der Partei
Leitsatz (amtlich)
1. Die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Verkehrsanwalts in der Berufungsinstanz kann nicht mit der Erwägung begründet werden, der Verkehrsanwalt sei in der ersten Instanz als Prozessbevollmächtigter der (auswärtigen) Partei tätig gewesen, und dies sei wegen der örtlichen Nähe zum Streitobjekt geboten gewesen. Das gilt auch dann, wenn der - inzwischen vor dem Berufungsgericht postulationsfähig gewordene - Verkehrsanwalt in der Berufungsinstanz mit eigenem Schriftsatz hervorgetreten ist, ohne sich als weiterer Prozessbevollmächtigter zu bestellen.
2. Die Verkehrsanwaltskosten für das Berufungsverfahren sind jedoch bis zur Höhe der ersparten Kosten einer Informationsreise der auswärtigen Partei zu ihrem Prozessbevollmächtigten erstattungsfähig, soweit deren Notwendigkeit bejaht wird. In Fortentwicklung der Rechtsprechung des Senats (KG JurBüro 1983, 1401, bestätigt durch: Beschl. v. 2.9.2003 - 1 W 443/02 -) ist dies jedenfalls dann zu bejahen, wenn die tatsächliche Grundlage des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz streitig bleibt und es geboten erscheint, zur Vorbereitung der Berufungserwiderung den gesamten Sachverhalt und Verfahrensablauf in einem persönlichen mündlichen Gespräch mit dem Anwalt zu erörtern. Es bleibt offen, ob für Neufälle nach dem 1.8.2002 (Postulationsfähigkeit des auswärtigen Anwalts vor dem Berufungsgericht) an dem Grundsatz festgehalten wird, dass ein persönliches Mandantengespräch zu Beginn der zweiten Instanz nur in Ausnahmefällen notwendig ist.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 11.09.2003; Aktenzeichen 28 O 493/00) |
Tenor
In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden die nach dem inzwischen rechtskräftigen Urteil des Kammergerichts vom 30.6.2003 - 12 U 8/02 - von den Beklagten als Gesamtschuldnern an die Klägerin zu erstattenden Kosten über den bereits festgesetzten Betrag hinaus auf weitere 386 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.7.2003 festgesetzt.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde nach einem Wert von 101,50 Euro zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 487,50 Euro haben die Klägerin zu 21 % und die Beklagten zu 79 % zu tragen.
Gründe
I. Die Klägerin erwarb durch notariellen Kaufvertrag vom 16.6.1997 von den Beklagten deren in B. bei K. belegenes Einfamilienhausgrundstück. Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin einen Anspruch auf Schadensersatz für die Beseitigung von Mängeln geltend gemacht, die die Beklagten ihr beim Verkauf arglistig verschwiegen hätten. Nach Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens vor dem LG K. wurde die Klage gegen die inzwischen nach Berlin verzogenen Beklagten vor dem LG Berlin erhoben. Die Klägerin ließ sich durch ihre Kölner Prozessbevollmächtigten vertreten, die der Berliner Sozietät S. und S. Untervollmacht erteilten. Im Termin vor dem LG am 9.11.2001 waren Rechtsanwalt V. aus Berlin für die Kölner Rechtsanwälte Dr. H. u.a. und der Geschäftsführer der Klägerin anwesend.
Das LG gab der Klage statt. Die Beklagten legten hiergegen unter dem 7.1.2002 Berufung ein und begründeten das Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 7.2.2002, der den Klägervertretern am 7.3.2002 unter Fristsetzung zur Erwiderung binnen vier Monaten zugestellt wurde. Für die Klägerin und Berufungsbeklagte meldeten sich Rechtsanwälte S. und S. mit Schriftsatz vom 5.2.2002 und erwiderten mit Schriftsatz vom 17.6.2002 auf die Berufungsbegründung. Auf einen weiteren Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 21.5.2003 nahm die Klägerin mit einem Schriftsatz der Rechtsanwälte Dr. H. u.a. vom 11.6.2003 Stellung, zugleich zeigte Rechtsanwalt V. mit Schriftsatz vom 11.6.2003 an, dass er das Verfahren "in hiesiger Kanzlei" fortführe. Im Termin am 30.6.2003, bei dem die Beklagten und der Geschäftsführer der Klägerin persönlich anwesend waren, vertrat Rechtsanwalt V. "für Rechtsanwälte Dr. H. u.a." die Klägerin. Die Berufung wurde auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 14.7.2003 hat die Klägerin beantragt, die durch ihre anwaltliche Vertretung in zweiter Instanz entstandenen Kosten gegen die Beklagten festzusetzen, darunter eine 13/10-Gebühr für die "Tätigkeit als Verkehrsanwalt §§ 52, 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO", i.H.v. 487,50 Euro; die Klägerin ist zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Das LG hat die Verkehrsanwaltskosten abgesetzt, da diese Kosten in der Berufungsinstanz nur dann erstattungsfähig seien, wenn sich der Tatsachenvortrag ggü. der ersten Instanz grundlegend geändert habe, was nicht der Fall sei. Hiergegen wendet sich das zulässige Rechtsmittel der Klägerin, das in erster Linie darauf gestützt wird, ihr sei ein Anwaltswechsel in zweiter Instanz nicht zuzumuten gewesen, nachdem sie sich in der ersten Instanz durch ihre K. Prozessbevollmächtigten habe vertreten lassen und es auch im...