Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 12.02.2014; Aktenzeichen 43 O 353/12)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des LG Berlin vom 12.2.2014 - 43 O 353/12 - geändert:

Das Befangenheitsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter am LG S wird für begründet erklärt.

 

Gründe

I. Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche geltend, die im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall eines Angestellten stehen. Im Termin vom 16.5.2013 hat der abgelehnte Richter ein Versäumnisurteil gegen den Kläger erlassen. Auf den Einspruch des Klägers fand am 4.7.2013 eine mündliche Verhandlung statt, auf die ein Hinweisbeschluss erging und Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung für den 30.10.2013 anberaumt wurde. Dieser Termin wurde auf Antrag des Klägervertreters wegen dessen Verhinderung auf den 11.12.2013 verlegt. Mit Verfügung vom 4.12.2013 verlegte der abgelehnte Richter den Termin aus dienstlichen Gründen auf den 12.2.2014. Am 27.1.2014 beantragte der Kläger die Verlegung des Termins, da er "dringend Urlaub benötige" und hierfür aufgrund anderer Verpflichtungen lediglich die 6. und 7. Kalenderwoche zur Verfügung stünden. Der Richter lehnte den Antrag mit Verfügung vom 29.1.2014 ab und begründete dies damit, dass die Geschäftslage eine Verlegung im Hinblick auf das erst spät eingegangene Gesuch nicht erlaube, zumal Gründe gem. § 227 ZPO nicht vorgetragen seien. Am 12.2.2012 ging um 9.09 Uhr per Telefax ein Ablehnungsantrag ein, der darauf gestützt wird, dass dem Terminsverlegungsantrag nicht stattgegeben worden sei. Mit einem um 9.39 Uhr eingegangenen Telefax legte die Klägerin sofortige Beschwerde gegen den Beschluss, mit dem ihr Befangenheitsantrag abgelehnt wurde, ein. Der abgelehnte Richter teilte dem Beklagtenvertreter den Inhalt der Schreiben mit und nahm dessen Antrag auf Erlass eines klageabweisenden Versäumnisurteils zu Protokoll. Am Schluss der Sitzung wies der Richter das Ablehnungsgesuch als unzulässig zurück und begründete dies damit, dass das Ablehnungsgesuch offensichtlich rechtsmissbräuchlich sei. Eine Vergleichbarkeit mit der Entscheidung des OLG Naumburg (Beschl. v. 20.8.2013 - 10 W 18/13 (Abl)), auf den die Klägerin Bezug nimmt, läge nicht vor. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe nicht mitgeteilt, dass und ggf. wann er bereits einen Urlaub gebucht habe. Die Entsendung eines Vertreters aus der Sozietät sei möglich gewesen. Der Prozessbevollmächtigte habe Auflagen aus dem Beschluss vom 19.9.2013 im Wesentlichen nicht abgearbeitet und wolle die Präklusionsvorschriften aushebeln. Der Richter verkündete weiter ein Versäumnisurteil, durch welches das Versäumnisurteil vom 16.5.2013 aufrechterhalten wird. Der sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung des Ablehnungsantrages hat der Richter mit Beschluss vom 17.3.2014 nicht abgeholfen.

II. Die gem. §§ 46 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet.

Das zulässige Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter am LG S ist begründet.

Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Maßgebend dafür ist, ob aus der Sicht der den Richter ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an dessen Unvoreingenommenheit und objektiver Einstellung zu zweifeln (vgl. BGH NJW-RR 2010, 493 Rz. 6; BGHZ 156, 269, 270 m.w.N.).

Nach allgemeiner Auffassung kann die Ablehnung grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden. Denn im Ablehnungsverfahren geht es allein um die Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen, deren Überprüfung allein dem Rechtsmittelgericht vorbehalten ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist indessen dann geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen - insbesondere verfassungsrechtlichen - Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken (vgl. KG, NJW-RR 2006, 1577).

Danach ist die Vorgehensweise des abgelehnten Richters geeignet, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu begründen. Dieser hätte das Ablehnungsgesuch der Klägerin vom 12.2.2014 nicht als unzulässig verwerfen dürfen.

Gemäß § 45 Abs. 1 ZPO entscheidet über das Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Eine Mitwirkung des abgelehnten Richters an der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ist nur in Fällen eines offensichtlich unzulässigen oder rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuches zulässig. Eine die Möglichkeit zur Selbstentscheidung eröffnende Ungeeignetheit des Ablehnungsgesuchs ist nur dann anzunehmen, wenn ...

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