Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfall eines Wendenden mit einem Einsatzfahrzeug
Normenkette
StVO §§ 8, 9 Abs. 5, §§ 10, 35 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 188/06) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Es wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen gegeben.
Gründe
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.
Der Senat folgt den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet worden sind.
Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist nicht der Fall.
1. Zutreffend hat das LG (UA 4-5) nach Beweisaufnahme die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Anscheinsbeweis spräche dafür, dass die Klägerin die ihr nach § 9 Abs. 5 StVO beim Wenden obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt habe, da sich der Unfall im Zusammenhang mit dem Wendevorgang der Klägerin ereignet habe; demgegenüber scheide eine Mithaftung des Beklagten aus, weil die Klägerin durch die von ihr benannte Zeugin ... nicht habe beweisen können, dass sie vor und während des Wendevorgangs den linken Blinker gesetzt habe.
Gründe für eine Mithaftung des Beklagten seien auch nach dem Ergebnis des Gutachtens des vom LG beauftragten Sachverständigen ... vom 20.2.2007 nicht feststellbar (UA 5); danach wäre der Unfall zwar vermieden worden, wenn der Fahrer des mit Blaulicht und einer Geschwindigkeit von etwa 83 km/h herannahenden Polizeifahrzeuges zunächst nicht nur eine Betriebsbremsung, sondern eine Vollbremsung vorgenommen hätte; hierzu hätte aber nur dann Anlass bestanden, wenn das klägerische Fahrzeug nach links geblinkt hätte; gerade dies habe die Klägerin aber nicht zu beweisen vermocht.
Auch aus dem Umstand, dass das Polizeifahrzeug die zulässige Höchstgeschwindigkeit ganz erheblich überschritten habe, folge keine Mithaftung, da das Einsatzfahrzeug hierzu berechtigt gewesen sei; nach § 10 StVO habe die Klägerin das im fließenden Verkehr befindliche Polizeifahrzeug vorbeifahren lassen müssen.
2. Die dagegen mit der Berufungsbegründung vorgetragenen Argumente sind nicht geeignet, die beantragte Abänderung des angefochtenen Urteils zu bewirken und der Klägerin Schadensersatz nach der im Berufungsverfahren nur noch geltend gemachten Quote von 50 % zuzusprechen.
Wegen der besonderen Sorgfaltspflichten aus § 9 Abs. 5 StVO (beim Wenden ist eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen; höchste Sorgfaltsstufe) spricht gegen den Wendenden der Beweis des ersten Anscheins, eine in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Wendevorgang eingetretene Kollision mit einem anderen Fahrzeug verschuldet zu haben (KG, Urt. v. 1.10.2001 - 12 U 2139/00 NZV 2002, 230 = KGReport Berlin 2002, 98 = VM 2002, 61 L; KG, Beschl. v. 21.9.2006 - 12 U 41/06 - VRS 112, 90 = KGReport Berlin 2007, 305 L = NZV 2007, 306 = NJW-Spezial 2007, 306).
Dies akzeptiert die Klägerin zwar, meint aber ihr sei die ihr durch die Rechtsprechung eingeräumte Möglichkeit der Widerlegung des Anscheinsbeweises gelungen mit der Folge einer hälftigen Mithaftung des Beklagten.
Denn aus den feststehenden Tatsachen könne gefolgert werden, dass sich der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs auf das Fahrverhalten der Klägerin hätte einrichten können; denn es stehe fest, dass dieser sich offensichtlich auf dieses Fahrzeug eingerichtet habe, indem er den linken Blinker 65,8 m vor der Kollision gesetzt und einen Bremsvorgang - mit geringer Bremswirkung - eingeleitet habe. Hätte er jedoch stattdessen voll gebremst, wäre der Unfall vermieden worden, was jedoch aufgrund einer Fehleinschätzung nicht erfolgt sei; auch bei Inanspruchnahme von Sonderrechten oblägen dem Fahrer besondere Beobachtungspflichten.
a) Die Auffassung der Klägerin, der Unfall sei durch eine Fehleinschätzung der Situation durch den Fahrer des Polizeifahrzeuges mitverursacht worden, wird vom Senat nicht geteilt.
Bereits das LG hat auf S. 5 des angefochtenen Urteils das Ergebnis des Gutachtens des Sachverständigen ... behandelt, dass der Unfall vermieden worden wäre, wenn der Polizist im Zeitpunkt seiner Reaktion auf das Klägerfahrzeug nicht nur eine "Betriebsbremsung" und dann nach 1,2 s eine Vollbremsung eingeleitet hätte (vgl. Gutachten Wanderer, S. 17).
Das LG hat dazu zutreffend ausgeführt, dass der Polizeibeamte zu einer Vollbremsung im Zeitpunkt seiner ersten Reaktion auf das Fahrzeug der Klägerin nur dann Veranlassung gehabt hätte, wenn das klägerische Fahrzeug vor dem Wendevorgang geblinkt hätte, was die Klägerin nicht bewiesen hat.
Dieses Argument, das von der Klägerin nicht angegriffen wird, wird vom Senat geteilt.
Denn allein der Umstand, dass ein Pkw zunächst nach rechts blinkt, an den rechten Straßenrand fährt und dort anhält (...