Leitsatz (amtlich)
Zur Eichpflicht bei Rotlichtüberwachungskameras.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 09.06.2011; Aktenzeichen (293 OWi) 3041 PLs 8188/10 Ve (715/10)) |
Tenor
Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 9. Juni 2011 wird verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten seiner nach § 80 Abs. 4 Satz 4 OWiG als zurückgenommen geltenden Rechtsbeschwerde zu tragen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß §§ 37 Abs. 2 Ziff.1.7 (hinzuzufügen: StVO)(Rotlichtmissachtung) i.V.m. § 24 StVG eine Geldbuße in Höhe von 90,- (neunzig) Euro festgesetzt.
Mit seiner gegen das Urteil gerichteten Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er zur Fortbildung des Rechts beantragt, rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.
Der in formeller Hinsicht unbedenkliche Zulassungsantrag ist unbegründet, da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht vorliegen.
Nach § 80 Abs. 1 OWiG lässt das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG auf Antrag nur zu, wenn es erforderlich ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen ( § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) oder wenn es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG).
Beträgt die Geldbuße nicht mehr als einhundert Euro und ist wie im vorliegenden Fall keine Nebenfolge angeordnet worden, kann die Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG nur zur Rechtsfortbildung bezogen auf das materielle Recht zugelassen werden.
Da der Betroffene die -ebenfalls die Zulassung der Rechtsbeschwerde ermöglichende- Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht rügt (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) und hierfür im Übrigen auch keine Anhaltspunkte bestehen, ist die Zulassung nur dann geboten, um dem Rechtsbeschwerdegericht im allgemeinen Interesse Gelegenheit zu geben, durch seine Entscheidung zur Fortbildung des sachlichen Rechts beizutragen.
Diese Voraussetzungen sind dann gegeben, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch zu schließen. Die Fortbildung des Rechts kommt danach nur bei entscheidungserheblichen, klärungsbedürftigen und abstraktionsfähigen Rechtsfragen in Betracht, denn der Sinn der Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht die Herstellung der rechtlich richtigen Entscheidung in dem jeweiligen Einzelfall (OLG Bamberg DAR 2011, 212, 213; Seitz in Göhler, OWiG, 15. Aufl. Rdn. 3;OLG Köln, NStZ-RR 2010, 88).
Zulassungsbedürftige Fragen in dieser Hinsicht wirft die Sache hier nicht auf. Die zur Grundlage des Zulassungsantrages gemachte Behauptung, dass Rotlichtüberwachungsanlagen als Geschwindigkeitsmessanlagen der jährlichen Eichpflicht unterliegen, die allein als zulassungsbedürftige Frage in Betracht kommt, bedarf vorliegend keiner Klärung durch das Rechtsbeschwerdegericht.
Nach der Ordnungsnummer 18.3. des Anhangs B zu den §§ 12 und 14 Eichordnung bedürfen Geschwindigkeitsmessgeräte für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs der jährlichen Eichung. Die Entscheidungserheblichkeit der im Zulassungsantrag aufgeworfenen Frage für den vorliegenden Einzelfall setzt damit voraus, dass das Amtsgericht die Feststellungen für den Rotlichtverstoß des Betroffenen mit Hilfe von Lichtbildern einer Rotlichtüberwachungsanlage getroffen hat, die geeignet ist, die Geschwindigkeit der (vorbei) fahrenden Fahrzeuge zu messen. Die in der Anlage befindliche Uhr muss für die Beantwortung dieser Frage außer Betracht bleiben, da sie nur das Auslösen der Kamera steuert und ohnehin als "Zeitmesser" der zweijährlichen Eichpflicht unterliegt. Erst wenn begrifflich ein Messgerät vorliegt stellt sich die weitere Frage, ob für die Geschwindigkeitsmessung generell geeignete Rotlichtüberwachungsanlagen aus diesem Grund der jährlichen Eichpflicht unterliegen, obwohl sie lediglich der Dokumentation von Rotlichtverstößen dienen.
Messen bedeutet nach allgemeinem Sprachgebrauch den Vergleich einer unbekannten mit einer bekannten Größe (vgl. auch Senat, VRS 83, 319, 320). Das einem Messgerät im ursprünglichen Sinn eigentümliche ist die Anzeige oder Verkörperung eines Messwerts. Schreibende und rechnende Geräte sind insoweit nicht als Messgeräte anzusehen (vgl. KG a.a.O.; Strecker, Eichgesetz, Kommentierung zu § 1 Erl. 2.).
Den Urteilgründen ist zu entnehmen, dass der Rotlichtverstoß durch eine an der Lichtzeichenanlage angebrachte geeichte Rotlichtüberwachungskamera festgestellt wurde. Aus der Beweiswürdigung in Form der Schilderung einer Zeugenaussage ergibt sich weiter, dass zur Feststellung des Zeitpunkts des für den Tatvorwurf allein maßgeblichen Überfahrens der Haltlinie eine Berechnung der gefahrenen Geschwindigkeit anhand der durch die Kamera beim Passieren der Induktionsschleifen gefertigten Bilder er...