Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 07.09.2017; Aktenzeichen 315 OWi 440/17) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 7. September 2017 im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass das verhängte Fahrverbot entfällt.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Landeskasse Berlin.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen eines fahrlässigen Rotlichtverstoßes nach § 24 StVG zu einer Geldbuße von 200,00 Euro verurteilt, gemäß § 25 Abs. 1 StVG ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet und nach § 25 Abs. 2 a StVG eine Bestimmung über dessen Wirksamwerden getroffen. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der, wie die Ausführungen ergeben, nur das verhängte Fahrverbot angegriffen wird, hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene mit seinem PKW am Tattage die Kreuzung xxx Straße/xxx xxx. Vor der Kreuzung hielt er als Linksabbieger in der linken Spur vor schon länger als eine Sekunde rotem Ampellicht für diese Richtung. Als Lichtzeichenanlage auf grünes Signallicht für den geradeausfahrenden Verkehr umschaltete, fuhr der Betroffene in die Kreuzung ein, obwohl für seine Fahrtrichtung nach wie vor rotes Signallicht abgestrahlt wurde. Auf der Kreuzung hielt der Betroffene an, ließ zwei entgegenkommende Fahrzeuge passieren und bog dann weiter links in den xxx ab.
Das Amtsgericht hat angesichts dieser Feststellungen keinen Anlass gesehen, von dem in Nr. 132.3 BKat vorgesehenem Regelfahrverbot abzuweichen. Diese Ansicht begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Die Erfüllung des Tatbestandes von Nr. 132.3 BKat indiziert nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BKatV in der Regel das Vorliegen einer groben Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers. Deswegen kommt die Anordnung eines Fahrverbots in derartigen Fällen in der Regel in Betracht. Das Vorliegen eines Regelbeispiels entbindet den Tatrichter jedoch nicht von der Pflicht, im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls zu prüfen, ob das Tatbild vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in objektiver oder subjektiver Hinsicht so erheblich abweicht, dass ein "atypischer" Rotlichtverstoß vorliegt, der die Regelsanktion als unangemessen erscheinen lässt (ständige Rechtsprechung des Senat, u. a. Beschlüsse vom 31. Oktober 2008 -3 Ws (B) 286/08 und 30. Oktober 2013 - 3 Ws (B) 492/13). Die Verhängung eines Fahrverbots im Falle des Vorliegens eines qualifizierten Rotlichtverstoßes hat ihre Ursache darin, dass sich bei länger als einer Sekunde andauernder Rotlichtphase bereits Querverkehr in dem durch das Rotlicht gesperrten Bereich befinden kann (vgl. Senat, Beschlüsse vom 7. Oktober 2002 - 3 Ws (B) 364/02 - und 13. Januar 2010 - 3 Ws (B) 714/09 - m. w. N.) und die Einfahrt in den durch das rote Wechsellichtzeichen geschützten Bereich regelmäßig mit nicht unerheblicher Geschwindigkeit erfolgt. Für diesen Fall sieht Nr. 132.3 BKat daher ein Regelfahrverbot vor.
Die festgestellte Zuwiderhandlung des Betroffenen ist nicht von gleichrangigem Gewicht. Der Betroffene beachtete zunächst das Rotlicht für die von ihm befahrene Linksabbiegerspur. Und hielt vorschriftsgemäß an. Nach Umschalten des Lichtzeichens für den Geradeausverkehr auf Grün startete er- trotz fortdauernder Rotlichtphase für Linksabbieger -und fuhr in die Kreuzung ein, wo er erneut anhielt und den Gegenverkehr passieren ließ.
Hiernach bestand objektiv keine erhöhte Gefahrensituation, da im Hinblick auf die Grünphase für den Geradeausverkehr davon auszugehen ist, dass der Querverkehr (Fußgänger und Fahrzeuge) in dem Bereich, den der Betroffene befuhr, gesperrt war, und der Gegenverkehr von dem Betroffenen beachtet wurde. Auch in subjektiver Hinsicht liegt keine grobe Pflichtverletzung des Betroffenen im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG vor, denn sie ließ sich aufgrund einen momentanen Unaufmerksamkeit von dem anfahrenden Geradeausverkehr mitziehen. Ein solches Verhalten ist nicht auf Verantwortungslosigkeit, oder grobe Nachlässigkeit zurückzuführen (vgl. schon Senat in VRs 101, 301f. mit weiteren Nachweisen).
Dies erfordert hier jedoch keine Zurückverweisung der Sache. Da nicht zu erwarten ist, dass eine erneute Hauptverhandlung weitere für den Rechtsfolgenausspruch bedeutsame Feststellungen erbringen wird, macht der Senat von der ihm durch § 79 Abs. 6 OWiG eingeräumten Befugnis Gebrauch und hebt den Ausspruch über das Fahrverbot auf, weil die Voraussetzungen für dessen Verhängung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BKatV nicht vorliegen. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Betroffene die Tat nicht unter grober Verletzung seine Pflichten als Kraftfahrer begangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 4 StPO. Der Betroffene hat zwar formal uneingeschränkt Rechtsbeschwerde eingeleg...