Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsumfang der Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte
Leitsatz (amtlich)
1. Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des RAes aus der gegenüber seinem Auftraggeber freiberuflich ausgeübten Tätigkeit als RA. Davon ist allein die von unabhängiger Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten geprägte klassische Tätigkeit des RAes umfasst.
2. Wird nach den AVB (hier: § 20 Abs. 1 AVB- RA) Versicherungsschutz auch für den Fall gewährt, dass der VN wegen einer fahrlässigen Verfügung über Beträge, die in unmittelbarem Zusammenhang mit einer RA-Tätigkeit auf ein Anderkonto eingezahlt sind, von dem Berechtigten in Anspruch genommen wird, umfasst dies nicht die Führung des Zahlungsverkehrs für einen Mandanten, dessen Konto gepfändet wurde, auf dem eigenen Geschäftskonto des RAes oder einem dafür eingerichteten Anderkonto; denn es handelt sich um eine reine Geschäftsbesorgung im kaufmännischen Bereich, wenn der RA im Wege der "Treuhandverwaltung" einen Mandanten "rein buchhalterisch betreut".
3. Hat der Haftpflichtversicherer gleichwohl die Abwehrdeckung (§§ 100, 101 VVG) des vom Insolvenzverwalter in Anspruch genommenen RAes in erster Instanz ohne weiterreichende Deckungszusage übernommen, folgt allein daraus noch nicht die Verpflichtung, diese auch in den weiteren Instanzen zu übernehmen und den RA von seiner Ersatzpflicht freizustellen (§§ 100, 106 VVG).
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 20.10.2020; Aktenzeichen 24 O 156/20) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Zivilkammer 24 des Landgerichts Berlin vom 20. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde der Antragstellerin ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, sie ist mithin zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Erfolgsaussicht, was Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO ist.
1) Der Antragstellerin stand weder ein Anspruch auf Abwehrrechtsschutz wegen der Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter noch ein Anspruch auf Freistellung von der im Vergleich mit diesem im zweiten Rechtszug vereinbarten Zahlungspflicht der Antragstellerin aus dem Versicherungsvertrag mit der Antragsgegnerin zu.
Der Versicherungsvertrag beinhaltet eine Haftpflichtversicherung für bei der freiberuflichen Tätigkeit der Antragstellerin als Rechtsanwältin verursachte Vermögensschäden. Dies ergibt sich eindeutig aus der Risikobeschreibung zum Versicherungsvertrag (K 2, S. 8), wonach die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus der gegenüber seinem Auftraggeber freiberuflich ausgeübten Tätigkeit als Rechtsanwalt versichert ist. Die Risikobeschreibung enthält Tätigkeiten, die mitversichert sind. Die dortige Aufzählung der Tätigkeiten wird ausdrücklich als "abschließend" bezeichnet. Die §§ 20 und 21 der AVB-RA enthalten weitere Regelungen zum Umfang des Versicherungsschutzes. Versicherungsschutz wird danach auch für den Fall gewährt, dass der Versicherungsnehmer wegen einer fahrlässigen Verfügung über Beträge, die er in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Rechtsanwaltstätigkeit auf ein Anderkonto eingezahlt sind, von dem Berechtigten in Anspruch genommen wird, § 20 Abs. 1 AVB-RA. Diese Regelung stellt ebenfalls klar, dass Versicherungsschutz nur gewährt wird, wenn der Versicherungsnehmer im unmittelbaren Zusammenhang mit einer Tätigkeit als Rechtsanwalt von seinem Mandanten Gelder auf einem Anderkonto verwahrt. Aus § 21 AVB-RA ergibt sich eindeutig der Ausschluss kaufmännischer Risiken. Danach bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche wegen Schäden aus einer kaufmännischen Kalkulations-, Spekulations- oder Organisationstätigkeit.
Die Antragstellerin hat in ihrer Mail vom 23. Februar 2017 an die Antragsgegnerin (K 8, S. 2) ihre Tätigkeit für die Schuldnerin als "Treuhandverwaltung" bezeichnet, die "insolvente Firma wurde von mir rein buchhalterisch betreut". Die Antragstellerin war mit einem weiteren Rechtsanwalt in einer Partnergesellschaft verbunden. Ab dem 23. Mai 2013 erfolgten alle eingehenden und ausgehenden Zahlungen in Verbindung mit der Tätigkeit der Schuldnerin nach einer Kontopfändung betreffend das Geschäftskonto der Schuldnerin vom allgemeinen Geschäftskonto der Partnergesellschaft. Ab dem Juni 2013 erfolgten die entsprechenden Zahlungen von einem Sammelanderkonto des anderen Partners (vgl. K 4).
Der Bundesgerichtshof hat in zwei Entscheidungen vom 18. März 2020 zur Auslegung vergleichbarer Risikobeschreibungen Stellung genommen und ausgeführt, dass es sich bei dem in der Risikobeschreibung verwendeten Begriff der "freiberuflich ausgeübten Tätigkeit als Rechtsanwalt" für den Versicherungsnehmer erkennbar nicht um eine weite Definition anwaltlicher Tätigkeit handelt, weil die Risikobeschreibung nachfolgend katalogartig eine Reihe von Tätigkeiten als mitversichert aufzählt, die häufig mit anwaltlicher Tätig...