Leitsatz (amtlich)
1. Für ein wirksames Minderheitsverlangen auf Geltendmachung von Schadensersatz nach § 147 Abs. 1 AktG ist es nicht erforderlich, dass die geltend gemachten Ansprüche Aussicht auf Erfolg haben.
2. Einer Glaubhaftmachung nach § 147 Abs. 1 S. 2 AktG darüber, dass die Minderheit seit mindestens drei Monaten vor dem Tage der Hauptversammlung Inhaber der Aktien ist, bedarf es nicht, wenn der Gesellschaft dieser Umstand, etwa aufgrund von Eintragungen in das Aktienbuch nach § 67 AktG bekannt ist.
3. Für den Antrag auf Bestimmung eines besonderen Vertreters durch das Registergericht nach § 147 Abs. 2 S. 2 AktG ist eine Identität der das Verlangen in der Hauptversammlung nach § 147 Abs. 1 S. 1 AktG und der den Antrag an das Gericht stellenden Minderheit nicht erforderlich.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 16.04.2004; Aktenzeichen 102 T 14/04) |
AG Berlin-Charlottenburg (Beschluss vom 08.01.2004; Aktenzeichen 96 HRB 77280) |
Tenor
Auf die sofortige weitere Beschwerde werden die Beschlüsse der Abteilung 96 des AG Charlottenburg v. 8.1.2004 und der Kammer für Handelssachen 102 des LG Berlin v. 16.4.2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur Auswahl und Bestellung eines besonderen Vertreters an das AG Charlottenburg zurückverwiesen.
Gründe
A. Die Beteiligten zu 1) bis 7) sind Aktionäre der Beteiligten zu 8). Diese haben mit einem Schriftsatz v. 22.8.2003 beim AG Charlottenburg als dem zuständigen Registergericht wegen konkret benannter Vorgänge die gerichtliche Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 147 Abs. 2 S. 3 AktG beantragt, nachdem auf die Hauptversammlung v. 4.6.2003 keine Maßnahmen der Gesellschaft ergriffen worden waren. Als besonderen Vertreter haben sie Rechtsanwalt C.S. vorgeschlagen, im Übrigen aber die Auswahl dem Gericht überlassen. Diesen Antrag hat das AG mit einem Beschluss v. 8.1.2004 zurückgewiesen und insoweit die Auffassung vertreten, dass keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen seien, die den Verdacht von Unredlichkeiten oder groben Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung zum Schaden der Gesellschaft ergeben. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde v. 29.1.2004 hatte keinen Erfolg. Das LG hat in dem Beschluss v. 16.4.2004 ergänzend ausgeführt, dass auch eine Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 147 Abs. 2 S. 1 AktG nicht in Betracht käme, weil diese - die weitere Voraussetzungen der Norm unterstellt - wegen der nur geringen Anhaltspunkte für das Vorliegen von Ersatzansprüchen nicht zweckmäßig sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss des LG v. 16.4.2004 Bezug genommen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde v. 10.5.2004 die am gleichen Tag beim Beschwerdegericht eingegangen ist.
B. I. Die sofortige weitere Beschwerde ist statthaft, §§ 147 Abs. 2 S. 4, Abs. 3 S. 2 AktG, 29 Abs. 2 FGG. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insb. ist sie innerhalb der Frist von zwei Wochen nach § 22 Abs. 1 S. 1 FGG, die auch im Rahmen der weiteren Beschwerde gilt, § 29 Abs. 4 FGG, eingelegt worden. Denn der Beschluss des LG ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) bis 7) am 26.4.2004 zugestellt worden. Der die sofortige weitere Beschwerde enthaltende Schriftsatz ist am 10.5.2004 beim LG eingegangen, so dass die Frist nach § 29 Abs. 1 S. 1 FGG gewahrt ist. Die Beschwer der Beteiligten zu 1) bis 7) ergibt sich bereits aus der Zurückweisung ihrer Beschwerde durch das LG. Die weitere Beschwerde hat Erfolg.
II. 1. Das LG hat angenommen, dass es im vorliegenden Fall an dem dringenden Verdacht fehle, dass der Gesellschaft durch Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung Schaden zugefügt worden sei. Wegen des Vorwurfs der verlustreichen Wertpapiergeschäfte fehle es angesichts des spekulativen Charakters derartiger Geschäfte an einer groben Verletzung der Pflichten aus § 93 AktG, wegen der fehlenden Mitwirkung an der Vermietung der gesellschaftseigenen Immobilie fehle es schon an einer Pflichtverletzung, weil eine Rückabwicklung des Erwerbsvertrages im Raume gestanden habe. Dass durch das Verhalten des Vorstandsmitgliedes S/// unnötige Vollstreckungskosten von 30 Euro verursacht worden seien, rechtfertige den Antrag auf Bestellung eines besonderen Vertreters nicht, weil insoweit die Bagatellgrenze nicht überschritten sei. Angesichts dieser Ausgangslage sei auch die Bestellung eines Vertreters nach § 147 Abs. 2 AktG jedenfalls nicht zweckmäßig. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
2. Es kann offen bleiben, ob die von den Antragstellern vorgetragenen und vom LG festgestellten Tatsachen den dringenden Verdacht rechtfertigen, dass der Gesellschaft durch Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung Schaden zugefügt worden ist. Auf diese Voraussetzungen kommt es nicht an, weil bereits der Tatbestand des § 147 Abs. 2 S. 2 AktG erfüllt ist.
a) Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2) können die Beteiligten zu 1) bis 7) ihr Begehren auch auf die Regelung des § 147 Abs. 2 S. 2 ...