Leitsatz (amtlich)

1. Ein Minderheitsverlangen nach § 147 Abs. 1 S. 1 AktG zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates aus der Geschäftsführung ist ordnungsgemäß, wenn es die Ansprüche so genau bezeichnet, dass der Streitgegenstand ohne weiteres bestimmbar ist und später die Übereinstimmung mit den geltend gemachten Ansprüchen festgestellt werden kann,

2. Wird auf Grund eines ordnungsgemäßen Minderheitsverlangens die gerichtliche Bestellung eines besonderen Vertreters zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen nach § 147 Abs. 2 S. 2 AktG beantragt, so hat das Gericht die Ansprüche selbst oder die Aussichten für ihre Rechtsverfolgung nicht zu prüfen. Vielmehr kommt es nur darauf an, ob ein Grund für die Bestellung eines besonderen Vertreters vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn Anlass zu der Annahme besteht, dass durch die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft eine sachgerechte Geltendmachung der Ansprüche nicht zu erwarten ist.

3. Die Auswahl und Bestellung des besonderen Vertreters muss durch das Gericht selbst erfolgen und kann nicht einem Dritten überlassen werden.

4. Die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, an dessen Zustimmung die weitere Verfügungsbefugnis der Vertretungsorgane der Gesellschaft gebunden ist, lässt die Notwendigkeit zur gerichtlichen Bestellung eines besonderen Vertreters nicht entfallen.

 

Normenkette

AktG § 147 Abs. 1 und Abs. 2 S. 2 bis 5; InsO § 21 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2, § 80 Abs. 1; FGG § 29 Abs. 2, § 145 Abs. 1 S. 1, § 146 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 22.11.2002; Aktenzeichen 3/7 T 15/02)

AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 72 HRB 46291)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Verfahren zur Nachholung der namentlichen Bestellung des besonderen Vertreters an das LG zurückverwiesen wird.

Beschwerdewert: 50.000 Euro.

 

Gründe

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der diese die Aufhebung des Beschlusses des LG Frankfurt am Main über die Bestellung eines besonderen Vertreters zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Aktiengesellschaft gegen die Mitglieder des Vorstandes R. und Dr. W. sowie gegen die Mitglieder des Aufsichtsrates H., W. und Dr. T. erstrebt, ist gem. §§ 147 Abs. 2 S. 4 AktG, 145 Abs. 1 S. 1, 146 Abs. 2, 29 Abs. 2 FGG statthaft und wurde auch form- und fristgerecht eingelegt. Der Senat geht des Weiteren von einer wirksamen Bevollmächtigung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin aus, da zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung am 30.1.2003 die die Vollmacht unterzeichnenden Abwickler … und … vertretungsbefugt waren, weil damals die einstweilige Verfügung vom 18.12.2002 nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten noch nicht zugestellt worden war und ein Widerruf der Vollmacht durch den Antragsteller alleine nicht erfolgen kann.

Das zulässige Rechtsmittel führt in der Sache jedoch nicht zum Erfolg, da die Entscheidung des LG über die Bestellung eines besonderen Vertreters zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO). Allerdings ist das Verfahren zum Zwecke der Nachholung der namentlichen Bestellung des besonderen Vertreters an das LG zurückzuverweisen.

Hat in einer Hauptversammlung eine Minderheit der Aktionäre die Geltendmachung eines Ersatzanspruches gegen Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates verlangt, so hat das AG auf Antrag von Aktionären, deren Anteile zusammen 10 % des Grundkapitals erreichen, als Vertreter der Gesellschaft zur Geltendmachung der Ersatzansprüche einen besonderen Vertreter zu bestellen, wenn ihm dies für eine gehörige Geltendmachung zweckmäßig erscheint (§ 147 Abs. 2 S. 2 AktG). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das LG ohne Rechtsfehler angenommen.

Zunächst konnte das LG ohne Rechtsfehler von einer Glaubhaftmachung der Aktionärsstellung und Antragsberechtigung des Antragstellers im Hinblick auf die vom AG angeforderte Hinterlegungsbescheinigung ausgehen.

Des Weiteren ist das LG zutreffend davon ausgegangen, dass ein ordnungsgemäßes Minderheitsverlangen des Antragstellers in der Hauptversammlung vom 9.10.2001 vorlag und insb. die geltend zu machenden Ersatzansprüche sowie die Personen aus Vorstand und Aufsichtsrat, gegen die sich die Ansprüche richten sollen, ausreichend konkretisiert wurden. Dafür muss das Minderheitsverlangen die Ansprüche so genau bezeichnen, dass der Streitgegenstand ohne weiteres bestimmbar ist und später die Übereinstimmung mit den geltend gemachten Ansprüchen festgestellt werden kann (vgl. Hüffer, § 147 Rz. 4; Geßler/Hefermehl, § 147 Rz. 7). Dies ist durch den Hinweis auf das beanstandete Verhalten des Vorstandes und des Aufsichtsrates durch Unterlassen des Betreibens des operativen Geschäftes und Abwicklung der Aktiengesellschaft nach Rücknahme des Insolvenzantrages im Februar 2000 sowie die Schilderung der im Beschluss des LG näher wiedergegebenen Begleitumstände gegeben.

Des Weiter...

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