Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebühren für mehrere Testamentseröffnungen durch verschiedene Verwahrungsgerichte; keine unrichtige Sachbehandlung bei Eröffnung eines nach dem 3.10.1990 im ehemaligen Ostteil Berlins verwahrten, widerrufenen Testaments lange Zeit nach dem Erbfall
Leitsatz (amtlich)
1. Werden mehrere Testamente desselben Erblassers bei verschiedenen Gerichten verwahrt und getrennt eröffnet, so fällt die Eröffnungsgebühr mehrfach an.
2. Als Geschäftswert für die Eröffnungsgebühren ist jeweils der volle Wert des reinen Nachlasses anzusetzen, über den in den Testamenten verfügt wird. Die materiellrechtlichen Auswirkungen der einzelnen Verfügungen auf die Erbfolge sind nicht zu berücksichtigen.
3. Die Eröffnung eines 1944 im ehemaligen Ostgebiet Deutschlands hinterlegten und nach dem 3.10.1990 in Verwahrung eines im ehemaligen Ostteil Berlins belegenen AG aufgefundenen Testaments stellt keine unrichtige Sachbehandlung dar, auch wenn das Testament durch ein später errichtetes widerrufen worden war und der Erbfall bereits mehrere Jahre zurückliegt.
Normenkette
BGB § 2261; KostO § 16 Abs. 1, §§ 102-103
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 82 T 870/99) |
AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 64/62 IV 194/98) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
Die weitere Beschwerde ist vom LG zugelassen und auch sonst gem. § 14 Abs. 3 S. 2 bis 4, Abs. 4 KostO (in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung) zulässig. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluss beruht nicht auf einem Rechtsfehler, auf den das Rechtsmittel mit Erfolg allein gestützt werden kann (§ 14 Abs. 3 S. 3 KostO i.V.m. §§ 546 f. ZPO n.F.).
Das LG hat rechtlich zutreffend angenommen, dass für die durch den Rechtspfleger des AG Berlin-Mitte am 10.2.1998 vorgenommene Eröffnung des am 11.2.1944 vor dem Notar in Kattowitz/Oberschlesien errichteten und ursprünglich bei dem AG Kattowitz hinterlegten gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute die in § 102 KostO vorgesehene Gebühr nach dem gem. §§ 103 Abs. 1, 46 Abs. 4 KostO berechneten vollen Geschäftswert angefallen ist und nicht lediglich die Mindestgebühr (§ 33 KostO) anzusetzen ist. Weiter ist es rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Erhebung der Gebühr auch keine unrichtige Sachbehandlung seitens des Gerichts (§ 16 Abs. 1 KostO) entgegensteht.
1. Nach der Vorschrift des § 102 KostO wird für die Eröffnung einer Verfügung von Todes wegen die Hälfte der vollen Gebühr erhoben. Deren Geschäftswert richtet sich gem. §§ 103 Abs. 1, 46 Abs. 4 KostO nach dem vollen Betrag des nach Abzug der Verbindlichkeiten verbleibenden Werts des reinen Nachlasses, soweit über ihn verfügt worden ist. Nach vom Senat geteilter und – soweit ersichtlich – einhelliger Auffassung der OLG und herrschender Meinung in der Literatur gilt dies auch dann, wenn mehrere Verfügungen desselben Erblassers nacheinander eröffnet werden und in diesen jeweils über den gesamten Nachlass bzw. denselben Teil des Nachlasses verfügt worden ist (vgl. Senat JurBüro 1979, 1049; OLG v. 25.9.1980 – 10 W 67/80, Düsseldorf Rpfleger 1981, 77; OLG Frankfurt JurBüro 1986, 426; OLG Stuttgart v. 28.9.1988 – 8 W 443/88 Rpfleger 1988, 485 und NJW-FER 1997, 67; OLG Köln v. 23.3.1992 – 2 Wx 8/92, OLGReport 1992, 394 = Rpfleger 1992, 394 m.Anm.Stolte; BayObLG v. 27.11.1996 – 3Z BR 195/96, FamRZ 1997, 644 und NJW-FER 2000, 165; OLG Schleswig SchlHA 2000, 204; offengelassen von OLG Düsseldorf Rpfleger 2001, 100 [101]; Hartmann, Kostengesetze, 31.Aufl., KostO, § 102 Rz. 4 und § 103 Rz. 2 ff.; Göttlich/Mümmler, KostO, 14.Aufl., Stichwort „Eröffnung” 1.3.2.1). Nach der Gegenansicht ist in verfassungskonformer Auslegung (Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes) auf den Inhalt der Verfügungen abzustellen. So komme bei Verfügungen gleichen Inhalts nur der ersten der volle Wert zu, den übrigen lediglich ein Bestätigungswert; eine widerrufene Verfügung habe keinen Wert mehr, es sei nur der Mindestwert anzusetzen (vgl. zu Vorstehendem Korintenberg/Lappe, KostO, 14.Aufl., § 103 Rz. 31 ff.; Rohs/Waldner, KostO, 2.Aufl., § 103 Rz. 6).
Der Senat sieht auch nach erneuter Überprüfung aus den weiterhin zutreffenden Gründen seiner vorzitierten Entscheidung keinen Anlass, von seiner Auffassung abzugehen. Wie auch in der Vorschrift des § 103 Abs. 2 KostO, wonach bei gleichzeitiger Eröffnung mehrerer Verfügungen von Todes wegen desselben Erblassers bei demselben Gericht nur eine Gebühr nach dem zusammengerechneten Wert zu erheben ist, deutlich zum Ausdruck kommt, stellen die genannten Gebührenvorschriften allein auf die äußerlich leicht und zweifelsfrei feststellbare Anzahl der Verfahrensakte der Eröffnung ab, nicht aber auf das sich aus dem Inhalt der insgesamt eröffneten Verfügungen ergebende materiellrechtliche Gesamtergebnis. Auch bei der Berechnung des Geschäftswerts der einzelnen Gebühr kann daher nach der insoweit eindeutigen Regelung der §§ 103 Abs. 1, 46 Abs. 4 KostO nicht auf die wirtschaftliche Bedeutung der einzelnen Verfügung unter Berü...