Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Festsetzung des Verfahrenswertes in einer Ehesache ist das Vermögen der Ehegatten zu berücksichtigen. Dabei ist das Vermögen zunächst um den Betrag eventueller, auf ihm lastender Verbindlichkeiten zu bereinigen und zusätzlich für jeden Ehegatten um einen Freibetrag in Höhe von 25.000 EUR. Der auf diese Weise errechnete Betrag fließt mit 5% in die Wertfestsetzung mit ein.
2. Der für das Vermögen anzusetzende Betrag reduziert sich nicht um einen weiteren Freibetrag für eventuelle Kinder der Ehegatten.
3. Der für den Vermögensgegenstand (hier: ein Hausanwesen) anzusetzende Wert bestimmt sich nach dem Verkehrswert. Das ist derjenige Wert, der bei einer zeitnahen Veräußerung der Immobilie am Markt tatsächlich erzielt wurde und nicht der in einem Immobilienbewertungsportal im Internet errechnete, fiktive Wert.
Verfahrensgang
AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 92 F 155/20) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den am 22. Dezember 2021 erlassenen Verfahrenswertbeschluss des Amtsgerichts Schöneberg - 92 F 155/20 - wird zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Antragstellerin wendet sich dagegen, dass das Familiengericht den Wert der Ehesache nebst der Folgesache Versorgungsausgleich auf insgesamt 47.850 EUR festgesetzt und hierbei berücksichtigt hat, dass sie das Hausanwesen der beteiligten Ehegatten etwa im August 2020 für 830.000 EUR veräußert hat. Sie rügt, dass das Familiengericht den Veräußerungswert als Grundlage für die Verfahrenswertbestimmung herangezogen hat und von diesem Wert (830.000 EUR) die auf dem Anwesen lastenden Verbindlichkeiten (10.000 EUR), für jeden Ehegatten einen Freibetrag von 25.000 EUR (50.000 EUR) sowie einen weiteren Freibetrag von insgesamt 20.000 EUR für die beiden Kinder der Ehegatten abgesetzt hat und den sich dann ergebenden Wert (750.000 EUR) mit 5% (37.500 EUR) in die Wertfestsetzung hat einfließen lassen, so dass sich ein Gesamtwert für die Scheidung von 43.800 EUR, nämlich den Wert nach den laufenden Einkünften der Ehegatten in drei Monaten (6.300 EUR) zuzüglich des für das Vermögen anzusetzenden Teilbetrages von 37.500 EUR, ergeben hat. Zusammen mit dem Wert für die Folgesache Versorgungsausgleich (4.050 EUR) ergibt sich damit ein Gesamtwert von 47.850 EUR. Die Antragstellerin meint, als Wert für das Vermögen sei nicht der erzielte Veräußerungserlös heranzuziehen, sondern lediglich ein Betrag von 522.000 EUR, nämlich derjenige Wert, den sie durch eine Immobilienbewertung im Internet durch ein großes Immobilienportal für das veräußerte Anwesen hat ermitteln lassen.
II. 1. Die Verfahrenswertbeschwerde ist zulässig: Sie wurde rechtzeitig angebracht (§§ 59 Abs. 1 Satz 3, 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG) und auch die Wertgrenze nach § 59 Abs. 1 Satz 1 FamGKG ist gewahrt. Denn die Kosten, die sich bei dem von der Antragstellerin auf der Grundlage ihrer Auffassung sich ergebenden Verfahrenswert von insgesamt lediglich 32.450 EUR errechnen, differieren von den (Anwalts- sowie Gerichts-) Kosten, die sich nach dem vom Familiengericht festgesetzten Verfahrenswert von 47.850 EUR ergeben, um deutlich mehr als 200 EUR. Folglich ist die Antragstellerin durch den angegriffenen Beschluss beschwert und damit berechtigt, Beschwerde einzulegen.
2. Indessen ist die Beschwerde in der Sache selbst nicht begründet. Denn gegen die überzeugenden, in jeder Hinsicht korrekten, zutreffenden Ausführungen des Familiengerichts gibt es auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens der Antragstellerin nichts zu erinnern. Dafür, dass das Familiengericht zum Nachteil der Antragstellerin entschieden hätte, ist nichts ersichtlich:
a) Das Familiengericht hat sich bei der Wertfestsetzung an die Vorgaben und "Eckwerte" im Beschluss des Kammergerichts vom 25. August 2016 (19 WF 143/15, FuR 2017, 457 sowie in juris und in Beck-online, BeckRS 2016, 119384) gehalten. Dieser Beschluss ist nicht, wie das vom Grundsatz her bestimmt ist (§ 57 Abs. 5 Satz 1 FamGKG), vom Einzelrichter des Senats, sondern aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Sache durch den Senat in voller Besetzung erlassen worden (§ 57 Abs. 5 Satz 2 FamGKG). Denn mit diesem Beschluss, der in Abstimmung mit den weiteren Familiensenaten des Kammergerichts ergangen ist (vgl. KG, a.a.O. [Rz. 8]), wurden die erheblichen, zwischen den einzelnen Senaten des Kammergerichts bestehenden Differenzen, auf welche Weise die Vermögensverhältnisse der Ehegatten Eingang in die Wertfestsetzung nach § 43 Abs. 1 FamGKG finden sollen, beigelegt und es wurde eine einheitliche "Rechtsprechungslinie" gefunden (so ausdrücklich KG, Beschluss vom 18. Dezember 2017 - 18 WF 51/17, FamRZ 2018, 701 [Rz. 13]). Gründe, hiervon abzuweichen, sind weder ersichtlich noch werden solche von der Antragstellerin behauptet.
b) Soweit das Familiengericht über die Verbindlichkeiten, die auf dem Haus lasteten (10.000 EUR) und einem Freibetrag in Höhe von 25.000 EUR je beteiligtem ...