Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 28.04.2011; Aktenzeichen (519) 22 Js 35/97 KLs (2/01))

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des ehemaligen Angeklagten gegen die Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 28. April 2011, mit der ihm die Entschädigung für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen versagt worden ist, wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

I. Der Beschwerdeführer ist aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Tiergarten vom 27. Dezember 1996 und eines entsprechenden Auslieferungsersuchens der Bundesrepublik am 23. September 2000 im Vereinigten Königreich festgenommen worden. Er hat sich dort bis zum 8. November 2000 in Auslieferungshaft befunden, bevor er vom weiteren Vollzug der Auslieferungshaft verschont worden ist. Das Auslieferungsverfahren hat sich über knapp neun Jahre hingezogen. Am 8. Juli 2009 ist er schließlich, nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel, vom Vereinigten Königreich nach Deutschland ausgeliefert worden. Von diesem Tag an ist gegen ihn die Untersuchungshaft aufgrund des Haftbefehls des Landgerichts Berlin vom 9. Juni 2004 vollzogen worden.

Das Landgericht hat den Beschwerdeführer am 10. Dezember 2009 nach neuntägiger Hauptverhandlung wegen Untreue in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft mit der Maßgabe angeordnet, dass der damalige Angeklagte der aus dem Tenor ersichtlichen Taten dringend verdächtig sei. Hinsichtlich der weiteren vier Tatvorwürfe hat das Landgericht das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.

Am 28. Oktober 2010 hat der Bundesgerichtshof auf die Revision des Beschwerdeführers das Urteil des Landgerichts aufgehoben und das Verfahren wegen eingetretener Strafverfolgungsverjährung nach § 206a Abs. 1 StPO eingestellt. Den Haftbefehl hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom selben Tage aufgehoben. Die Entscheidung über die Entschädigung hat er entgegen § 8 Abs. 1 Satz 1 StrEG dem Landgericht "übertragen", weil hierzu "noch weitere Ermittlungen erforderlich" seien.

Mit dem angefochtenen, ausführlichen Beschluss hat das Landgericht dem ehemaligen Angeklagten die Entschädigung versagt. Dagegen wendet er sich mit seiner sofortigen Beschwerde.

II. Die gemäß §§ 8 Abs. 3 StrEG, 311 Abs. 2 StPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Der Anspruch auf Entschädigung ist gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG ausgeschlossen.

§ 5 Abs. 2 StrEG ist anwendbar. Dieser Ausschlussgrund erfasst auch Fälle, in denen der Angeklagte nur deshalb nicht bestraft werden kann, weil das Verfahrenshindernis der Verjährung vorliegt, und geht einer Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG vor (vgl. BGHSt 29, 168). Der Beschwerdeführer hat durch die Begehung seiner Taten die Ursache für die gegen ihn eingeleitete Strafverfolgung einschließlich der in diesem Rahmen angeordneten und vollzogenen Haft gesetzt. Dieser Ursachenzusammenhang ist bei wertender Betrachtung nicht dadurch entfallen, dass der Bundesgerichtshof das Verfahren schließlich gemäß § 206a StPO eingestellt hat.

1. Nach § 5 Abs. 2 StrEG ist eine Entschädigung ausgeschlossen, wenn und soweit der Beschuldigte die Strafverfolgungsmaßnahme vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Entscheidend ist, wie sich der Sachverhalt den Ermittlungsbehörden bzw. Gerichten zum Zeitpunkt der Anordnung oder Aufrechterhaltung der Strafverfolgungsmaßnahme dargestellt hat. Als Ausnahmetatbestand ist § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG eng auszulegen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2008 - 4 Ws 78/08 - [Juris]). Es reicht daher nicht aus, dass sich der Betroffene irgendwie verdächtig gemacht hat und die gesamte Verdachtslage die ergriffene Strafverfolgungsmaßnahme rechtfertigt (vgl. BVerfG NJW 1996, 1049; Senat aaO.). Erforderlich ist, dass er die Maßnahme durch die Tat oder sein früheres oder nachfolgendes (Prozess-)Verhalten ganz oder überwiegend verursacht hat. Bei Zweifeln ist zu seinen Gunsten zu entscheiden (vgl. BVerfG aaO.; Senat aaO.). Ob eine entsprechend schuldhafte Verursachung vorliegt, ist nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen; dabei ist mit der haftungsbegründenden Kausalität zu beginnen. Denn die Regelung des § 5 Abs. 2 StrEG bringt den für jedes Entschädigungsrecht geltenden Grundsatz zum Ausdruck, dass derjenige, der durch sein eigenes zurechenbares Verhalten eine (entschädigungspflichtige) Strafverfolgungsmaßnahme ausgelöst hat, nicht auch noch entschädigt werden darf. Daher steht eine Verletzung der dem Geschädigten obliegenden Schadensminderungspflicht einer Mitverursachung gleich (vgl. Senat aaO.; KG, Beschluss vom 19. Mai 2004 - 5 Ws 134/04 -; Kunz, StrEG 4. Aufl., § 5 Rdn. 43; Meyer, StrEG 7. Aufl. § 5 Rdn. 39). Der Freigesprochene hat die Ermittlungsmaßnahme zumindest grob fahrlässig verursacht, wenn er durch sein Verhalten im Ergebnis den Erlass des Haftbefehls geradezu herausgefordert hat (vgl. Senat aaO.).

Nach diesen Grundsätzen hat der Beschwerdeführer die Ursache für die ...

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