Leitsatz (amtlich)
Den Führer eines Kraftfahrzeuges, welches aufgrund seiner Bauart oder seiner Ladung beim Abbiegen nach links in den rechts daneben befindlichen Fahrstreifen ausschwenkt, trifft ggü. den diesen Fahrstreifen benutzenden Verkehrsteilnehmern eine erhöhte Sorgfaltspflicht.
Der Führer eines derartigen Kraftfahrzeuges, der sich im linken Fahrstreifen eingeordnet hat, muss das Abbiegen nach links solange zurückstellen, bis er sicher sein kann, dass er keinen im rechts daneben befindlichen, nachfolgenden Verkehrsteilnehmer gefährdet oder schädigt.
Kann der Fahrer eines Linienbusses in einem Abstand von 16 m zwar erkennen, dass der Lkw nunmehr links abbiegen wird, muss er jedoch nicht damit rechnen, dass es dadurch zur Kollision kommen wird, so handelt der Busfahrer nicht sorgfaltswidrig, wenn er eine Vollbremsung unterlässt und den mit Fahrgästen besetzten Bus lediglich von 50 auf 37 km/h abbremst.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 348/06) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Gründe
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Beides ist nicht der Fall.
Das LG hat die Beklagten mit dem angegriffenen Urteil zu Recht und mit zutreffender Begründung verurteilt, die der Klägerin durch den streitgegenständlichen Verkehrsunfall entstandenen Schäden zu ersetzen und festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, sämtliche weiteren unfallbedingten Schäden zu ersetzen, die der Klägerin durch Leistungen an geschädigte Dritte oder deren Versicherer noch entstehen.
Die hiergegen von der Berufung vorgebrachten Angriffe haben keine Aussicht auf Erfolg.
1. Zutreffend hat das LG darauf abgestellt, dass der Beklagte zu 1) als Fahrer des Sattelzuges der Beklagten zu 2) den Unfall auf der Rennbahnstraße Ecke Gustav-Adolf-Straße allein verursacht hat, indem er die ihm gem. § 9 Abs. 1 StVO obliegende Sorgfaltspflicht beim Linksabbiegen nicht ausreichend beachtet hat.
Dabei ist das LG auch zu Recht davon ausgegangen, dass gegen den Beklagten zu 1) bereits der Beweis des ersten Anscheins spricht, wenn sein Fahrzeug beim Linksabbiegen soweit in den daneben liegenden Geradeausfahrstreifen ausschert, dass es mit einem ordnungsgemäß rechts überholenden Fahrzeug des gleichgerichteten Verkehrs zusammenstößt.
Bereits der Sachverständige Enk, der für die DEKRA das im Strafverfahren erforderte Gutachten vom 4.8.2005 erstellt hat, hat auf Blatt 20 des Gutachtens ausgeführt:
"Wenn man voraussetzt, dass der Abbiegevorgang mit dem Sattelkraftfahrzeug ohne Zwischenhalt bis zu etwa 20 Sekunden dauern kann, so hätte der Fahrer der Sattelzugmaschine den Abbiegevorgang erst beginnen dürfen, wenn er sich über seine rechten Außenspiegel die Gewissheit verschafft hätte, dass sich bis zu einer Entfernung von etwa 300 m hinter ihm keine Fahrzeug im Geradeausverkehr befanden."
Weiterhin hat der Sachverständige festgestellt, was auch von der Berufung nicht in Abrede gestellt wird, dass der Busfahrer den Beginn des Linksabbiegemanövers erst erkennen konnte, als er nur noch 16 m von dem Sattelzug entfernt war. Dies nahm der Fahrer des Busses nach den Ausführungen des Sachverständigen E. zum Anlass, sein Fahrzeug von der bis dahin gefahrenen Geschwindigkeit von 50 km/h auf 37 km/h herunter zu bremsen.
Anders als dies von der Berufung gesehen wird, führt die Erkennbarkeit des Linksabbiegens in einer Entfernung von 16 m jedoch nicht dazu, dass die Kollision für den Fahrer des Busses vorhersehbar und von ihm vermeidbar gewesen wäre.
Zwar hatte der Sachverständige der D. in seinem Gutachten zunächst ausgeführt, dass der Fahrer des Busses damit hätte rechnen können, dass das Heck des Sattelanhängers ausschert und mit der überstehenden Ladung in seinen Fahrstreifen ausschwenken würde. Diese Einschätzung hat der Sachverständige in der Hauptverhandlung im Strafverfahren jedoch revidiert, indem er ausführte, dass der Unfall für den Fahrer des Busses nicht vorhersehbar und damit unvermeidbar war. Das AG Tiergarten hat den Fahrer des Busses deshalb in dem Strafverfahren auch mit der Erwägung freigesprochen, dass von ihm etwas anderes als angemessenes Abbremsen im gegebenen Fall nicht zu erwarten gewesen war.
Dieser Auffassung schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an.
Die Berufung führt auch nicht aus, wie und wodurch der Fahrer des Busses weiter unfallverhütend hätte handeln sollen. Dabei ist, wozu die Berufung sich ebenfalls nicht verhält, auch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Unfallgegner um einen Linienbus der BVG han...