Leitsatz (amtlich)
1. Der Linksabbieger hat sich rechtzeitig, aber nicht vorzeitig, lediglich bis zur Mitte einzuordnen und vor der Kreuzung zu verlangsamen.
2. Überholt ein Pkw, der nach links abbiegen will, zuvor in einer Entfernung von etwa 15 - 20 m vor der Kreuzung unter Benutzung der Gegenfahrbahn Fahrzeuge, die bereits auf dem linken Fahrstreifen fahren, und kommt es zur Kollision mit einem dieser Fahrzeuge, dessen Fahrer nach links abbiegen will, aber die zweite Rückschau unterlässt, so kommt eine hälftige Schadensteilung in Betracht.
3. Eine Abänderung der vom Erstgericht vertretbar gebildeten Haftungsquote durch das Berufungsgericht scheidet aus.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 267/07) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
Gründe
I. Der Kläger und der Erstbeklagte machen im Wege von Klage und Widerklage jeweils Schadensersatzansprüche geltend aus einem Verkehrsunfall vom 23.2.2007, gegen 10.25 Uhr auf der Pannierstraße in Berlin; die Kollision zwischen dem im Eigentum des Klägers stehenden, von ihm gehaltenen und geführten und bei der Widerbeklagten zu 2. versicherten Pkw BMW 320i und dem im Eigentum des Erstbeklagten stehenden, von ihm gehaltenen und geführten sowie bei der Zweitbeklagten versicherten VW Audi A 4 ereignete sich an der Kreuzung der Pflügerstraße, wobei das Klägerfahrzeug im mittleren bis hinteren Bereich der rechten Seite und das Beklagtenfahrzeug im vorderen Bereich der linken Seite beschädigt worden sind. Die Pannierstraße hat in der Mitte eine unterbrochenen Leitlinie (Z 340); für den fließenden Verkehr stehen in beiden Richtungen zwei nicht gekennzeichnete Fahrstreifen zur Verfügung; am rechten und linken Fahrbahnrand parkten Fahrzeuge.
Der Kläger und die Widerbeklagte haben die Auffassung vertreten, die Beklagten müssten zu 100 % haften und haben vorgetragen: Der Kläger sei hinter dem Audi des Erstbeklagten gefahren, vor dem in einem Abstand von etwa 2 m ein Lkw mit Anhänger gefahren sei; diese beiden seien mit einer Geschwindigkeit von etwa 35-40 km/h statt zugelassenen 50 km/h unterwegs gewesen.
Er habe das Beklagtenfahrzeug überholen wollen, habe den linken Blinker betätigt, der mindestens 6 mal geleuchtet habe, habe in Höhe der Hausnummer 37 mit dem Überholen begonnen und habe etwa 15 - 20 m vor der Kreuzung links am Audi vorbeifahren wollen, um sodann nach links in die Pflügerstraße abzubiegen; als er sich links neben dem Beklagtenfahrzeug befunden habe, sei dieses nach links ausgebrochen, ohne zuvor Blinkzeichen gesetzt zu haben.
Die Beklagten haben gemeint, der Kläger und die Widerbeklagte würden zu 100 % haften müssen und haben vorgetragen: Der Kläger habe in unklarer Verkehrslage überholt, so dass er allein hafte. Der Erstbeklagte habe zunächst als zweites Fahrzeug hinter einem Lkw bei roter Ampel vor der Kreuzung gehalten und dabei nach links geblinkt. Bei Umschalten auf Grün sei er - zusammen mit dem Lkw vor ihm - langsam angefahren, habe sich nach links eingeordnet, um den Gegenverkehr zu beobachten und dann nach links abzubiegen; nachdem er sich durch Blick in den Außen- und Innenspiegel nach hinten vergewissert und den Abbiegevorgang eingeleitet habe, sei plötzlich und unerwartet der Kläger von hinten auf der Gegenfahrbahn vor sein Fahrzeug gefahren, so dass er keine Möglichkeit gehabt habe, im Kreuzungsbereich nicht gegen die rechte Seite des BMW zu fahren; der Kläger habe auch nicht nach links abbiegen, sondern geradeaus weiter fahren wollen.
Die Widerbeklagte hat den vom Erstbeklagten geltend gemachten Schaden (2.744,35 EUR netto) nach einer Quote von 1/3 vorprozessual reguliert und an ihn 914,78 EUR gezahlt, so dass er mit der Widerklage noch 1.829,57 EUR nebst Zinsen verlangt hat.
Das gegen den Kläger eingeleitete OWi-Verfahren (305 OWi 283/07 AG Tiergarten) ist durch Beschluss vom 20.8.2010 nach Hauptverhandlung gem. § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt worden.
Das LG hat der Klage und der Widerklage nach Beweisaufnahme durch Einholen eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zum Unfallhergang teilweise stattgegeben, und zwar auf der Grundlage einer Haftungsquote von jeweils 50 %.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Klage und Widerklage seien jeweils zu 50 % begründet; denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die Hergangsschilderung des Klägers technisch möglich und die Kollision könne für ihn unvermeidbar gewesen sein.
Auch die Unfalldarstellung des Erstbeklagten sei technisch möglich; nach dessen Darstellung sei der Unfall für ihn jedoch vermeidbar gewesen, da das Klägerfahrzeug bei entsprechender Rückschau für ihn erkennbar gewesen wäre.
Im Ergebnis sei der Unfallverlauf, ob nämlich dem Kläger ein Überholen bei unklarer Verkehrslage bzw. dem Erstbeklagten eine Verletzung der Pflicht zur zweiten Rückschau vorzuwerfen sei, ungeklärt mit der Folge einer hälftigen Schadensteilung.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er noch 80 % seines Unfallbedingten Sch...