Leitsatz (amtlich)

1. Der Fußgänger hat nach § 25 Abs. 3 StVO sowohl beim Betreten als auch beim Überschreiten der Fahrbahn auf sich nähernde Fahrzeuge zu achten und den fließenden Verkehr nicht zu behindern. Verletzt der Fußgänger diese Sorgfaltspflichten, handelt er regelmäßig grob fahrlässig; die Haftung des Kraftfahrers tritt in diesem Falle nur dann nicht vollständig zurück, wenn ihm ebenfalls eine Sorgfaltspflichtverletzung anzulasten ist, er beispielsweise freie Sicht auf den Fußgänger hatte und - ohne Überschreitung der nach den Verkehrsverhältnissen gebotenen Geschwindigkeit - noch unfallverhütend hätte reagieren können.

2. Wird bei Dunkelheit der dunkel gekleidete Fußgänger, der sorgfaltwidrig auf den Fahrstreifen getreten war, auf dem sich von links ein Pkw näherte, und dort stehen geblieben war, um ein auf der Gegenfahrbahn von rechts kommendes Kfz passieren zu lassen, von dem von links herankommenden Kfz erfasst, dessen Fahrer gegen das Sichtfahrgebot (§ 3 Abs. 1 Satz 2-4 StVO) verstoßen hat, ist eine Haftungsverteilung 50 : 50 gut vertretbar und nicht zu beanstanden.

3. Erleidet der Fußgänger unfallbedingt eine Kniegelenkluxation rechts mit knöchernen Ausrissen des vorderen Kreuzbandes sowie des Außenbandes, eine Teilruptur des hinteren Kreuzbandes, eine Innenbandruptur am Knie links, ein Schädelhirntrauma I. Grades, ein stumpfes Thoraxtrauma mit beidseitiger Lungenkontusion, eine Rippenserienfraktur Costae 1-5 links sowie eine nicht dislozierte Beckenfraktur (stationärer Aufenthalt insgesamt ca. 8 Wochen mit mehreren Operationen; Reha 4 Wochen sowie weitere Reha 2 Wochen; ambulante Physiotherapie; 13 Monate arbeitsunfähig) erscheint ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 EUR bei hälftigem Mitverschulden des Fußgängers nicht unangemessen. Eine Schmerzensgeldrente ist dagegen nicht geboten.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 17 O 285/08)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht ggü. den Beklagten Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall am 9.2.2006 geltend.

Die Klägerin beabsichtigte als Fußgängerin am 9.2.2006 gegen 19:00 Uhr den Seeburger Weg in Höhe der Hausnummer 26 von nordwestlicher Seite auf die südöstliche Fahrbahnseite zu überqueren. Sie betrat die Fahrbahn, konnte diese jedoch aufgrund eines von rechts herannahenden Fahrzeugs (des Zeugen I.) nicht vollständig passieren und wurde auf der Fahrbahn von der linken Front des von links kommenden Fahrzeugs des Beklagten zu 1), welches bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist, erfasst. Infolge des Zusammenstoßes wurde die Klägerin gegen die Windschutzscheibe geschleudert und blieb bewusstlos liegen. Sie erlitt im rechten Kniegelenk eine Kniegelenksluxation mit knöchernem Ausriss des vorderen Kreuzbandes und knöchernem Außenbandausriss sowie eine Teilruptur des hinteren Kreuzbandes und am linken Knie eine Innenbandruptur, ein Schädelhirntrauma 1. Grades, ein stumpfes Thoraxtrauma mit beidseitiger Lungenkontusion, eine Rippenserienfraktur Costae 1-5 links und eine nicht dislozierte Beckenfraktur.

Mit Schreiben vom 17.4.2007 (Anlage K 18) teilte die Beklagte zu 2) der Klägerin mit, dass sie für den Fall einer außergerichtlichen Einigung bereit sei, die Haftungsbedenken zurückzustellen. In der Folgezeit glich die Beklagte zu 2) den der Klägerin entstandenen materiellen Schaden vollständig aus und zahlte ein Schmerzensgeld i.H.v. insgesamt 30.000 EUR. Mit Schreiben vom 2.7.2008 (Anlage K 22) lehnte die Beklagte zu 2) eine Schmerzensgeldrente ab und teilte der Klägerin mit, dass sie ein Schmerzensgeld von 30.000 EUR für angemessen erachte, weshalb sie einen verbleibenden Betrag von 20.000 EUR zur Klaglosstellung überwiesen habe. Gleichzeitig räume sie der Klägerin folgende Vorbehalte ein: ein weiteres Schmerzensgeld für derzeit nicht vorhersehbare Spätschäden, materielle Schadensersatzansprüche, soweit sie nicht auf Dritte, insb. Sozialversicherungsträger übergehen.

Die Klägerin begehrt mit der Klage die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes unter Berücksichtigung der Zahlung von 30.000 EUR, eine monatliche Schmerzensgeldrente, die Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet sind, die ihr in Zukunft aufgrund des Unfalls entstehenden Schäden zu ersetzen, sowie sie von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen.

Aufgrund eines Teilanerkenntnisses der Beklagten hat das LG die Beklagten durch Anerkenntnisteilurteil vom 15.1.2009 verurteilt, die der Klägerin in Zukunft aufgrund des Unfalls entstehenden Schäden zu 50 % zu ersetzen. Durch Schlussurteil vom 29.1.2009 hat das LG nach Beweisaufnahme (Vernehmung des Zeugen I sowie Anhörung der Klägerin und des Beklagten zu 1) die Beklagten verurteilt, die Klägerin von einem Teil ihrer außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen und im Übrigen die Klage abgewiesen, wobei es die Feststellungsklage als unzulässig angesehen hat.

Mit der gegen dieses...

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