Leitsatz (amtlich)
Die Klage des Versicherungsnehmers gegen den Kfz-Kaskoversicherer auf Leistung des Wiederbeschaffungswertes des versicherten Fahrzeugs wegen behaupteten Diebstahls darf nicht schon deshalb als unschlüssig abgewiesen werden, weil der Versicherungsnehmer keine Details zur Reparatur eines bei dem Vorbesitzer eingetretenen Vorschadens vortragen kann. Denn für den Anspruch aus dem Kaskoversicherungsvertrag ist allein das vertragliche Leistungsversprechen des Versicherers maßgeblich, die gesetzlichen Vorschriften zum Schadenersatz finden keine Anwendung (BGH, Urteil vom 11.11.2015 - IV ZR 426/14 Rn. 9). Soweit es für die Höhe des Wiederbeschaffungswertes auf die fachgerechte Reparatur des Vorschadens ankommt, kommt - wie auch im Schadenersatzrecht - eine geminderte Darlegungslast in Betracht, wenn der Kläger über die aufklärungsbedürftigen Punkte kein eigenes zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 15.10.2019 - VI ZR 377/18 Rn. 9). Bei Unaufklärbarkeit ist ein Mindestwiederbeschaffungswert zu schätzen; denn ein zum Straßenverkehr zugelassenes Fahrzeug eines bestimmten Typs mit einer bestimmten Laufleistung und einem bestimmten Alter hat einen Mindestwert, den ein Sachverständiger bestimmen kann, auch wenn das Fahrzeug Vorschäden hatte.
Normenkette
VVG § 1 S. 1, § 88
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 25.10.2018; Aktenzeichen 44 O 56/18) |
Tenor
hat der Senat nunmehr über die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 44 des Landgerichts Berlin vom 25. Oktober 2018 beraten und weist darauf hin, dass die Berufung eine gewisse Erfolgsaussicht aufweist. Deswegen wird eine vergleichsweise Regelung vorgeschlagen.
I. Die Berufung kann gemäß § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Beide Voraussetzungen liegen hier vor.
Gründe
1) Aus der von der Beklagten selbst eingereichten Anlage B 4 - dem Fragebogen, den der Kläger ausgefüllt hat - ergeben sich die Angaben zum äußeren Bild eines versicherten Diebstahls. Danach hat der Kläger sein Fahrzeug am 15. August 2013 gegen 20.00 Uhr auf dem Parkplatz des Einkaufsmarktes der Fa. ... in der ... Chaussee ... in ... P ... abgestellt und dort gegen 20.30 Uhr nicht wieder aufgefunden (Bl. 50 d.A.). Da die Beklagte den Diebstahl bestreitet (Bl. 39 d.A.), hätte das Landgericht den Kläger persönlich gemäß § 141 ZPO zu dem behaupteten äußeren Bild eines versicherten Diebstahls anhören müssen, weil der Kläger auf andere Art und Weise das äußere Bild nicht beweisen kann. Dies hat das Landgericht verfahrensfehlerhaft unterlassen und damit den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt.
2) Das angefochtene Urteil beruht auch auf diesem Rechtsfehler sowie der damit im Zusammenhang stehenden unzureichenden Tatsachenfeststellung, denn das angefochtene Urteil erweist sich nicht auch aus anderen Gründen als richtig.
a) Das Landgericht kennt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs offensichtlich nicht und berücksichtigt die Grundsätze dieser Rechtsprechung auch nicht. Maßgeblich für den Anspruch des Versicherungsnehmers aus einem Kaskovertrag ist allein das vertragliche Leistungsversprechen des Versicherers, wohingegen die gesetzlichen Vorschriften zum Schadensersatz keine Anwendung finden (BGH, Urteil vom 11. November 2015 - IV ZR 426/14 -, BGHZ 207, 358-365, juris, Rn. 9). Die Auffassung des Landgerichts, die Grundsätze des Schadensersatzrechts seien auf das Versicherungsverhältnis übertragbar, soweit es um den Umfang des erforderlichen Vortrages zur Reparatur eines Vorschadens geht, berücksichtigt leider - wie der Senat in der Vergangenheit bereits wiederholt feststellen musste - die wesentlichen Unterschiede zwischen der Abwicklung eines Unfallereignisses durch einen Kfz-Haftpflichtversicherer und der Regulierung eines Kaskoschadens nicht.
aa) Bei der Abwicklung eines Versicherungsfalls über eine Kaskoversicherung sind der Geschädigte als Versicherungsnehmer und der Versicherer durch ein Vertragsverhältnis verbunden, das für beide Seiten in besonderem Maße durch die Grundsätze von Treu und Glauben geprägt ist. Dem Versicherungsnehmer kommen deswegen Beweiserleichterungen zugute, soweit es um den Nachweis des Versicherungsfalls geht, der Versicherer ist verpflichtet, den geltend gemachten Anspruch sorgfältig zu prüfen und hat dazu den Sachverhalt ggf. durch Nachfragen und eigene Ermittlungen aufzuklären, soweit er dies für seine Regulierungsentscheidung für erforderlich hält. Der Versicherungsnehmer hat hierzu die vertraglich vereinbarten Obliegenheiten zu erfüllen, will er nicht einen teilweisen oder vollständigen Anspruchsverlust riskieren.
Bei Streit über die Höhe des Wiederbeschaffungswertes sehen die AKB die Möglichkeit zur Durchführung eines Sachverständigenverfahrens vor. Auch diese Regelungen zeigen, dass der Versicherer die Höhe des vertraglichen A...