Leitsatz (amtlich)
Kommt es im unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Wenden zu einer Kollision mit einem links überholenden Fahrzeug, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine Sorgfaltspflichtverletzung des Wendenden.
Wegen der besonderen Sorgfaltspflichten des Linksabbiegers/Wendenden haftet dieser im Falle der Kollision mit einem ordnungsgemäß überholenden Kfz grundsätzlich allein, wobei die Betriebsgefahr des Kfz des Überholers zurücktritt.
Will der Wartepflichtige eine Mithaftung des Vorfahrtberechtigten damit begründen, dieser hätte den Unfall durch rechtzeitige unfallverhütende Reaktion vermeiden können, so muss er darlegen und beweisen, dass sich der Bevorrechtigte durch überhöhte Geschwindigkeit außer Stande gesetzt hat, unfallverhütend zu reagieren oder sich im Zeitpunkt der Erkennbarkeit der Vorfahrtverletzung in einer solchen Entfernung vom Kollionsort befand, dass eine unfallverhütende Reaktion möglich gewesen wäre.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 443/05) |
Tenor
1. Es wird gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO darauf hingewiesen, dass der Senat nach Vorberatung beabsichtigt, die Berufung der Beklagten durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.
2. Die Beklagten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu binnen drei Wochen.
Gründe
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Beides ist hier nicht der Fall. Der Senat folgt vielmehr den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet werden.
Insofern wird auf Folgendes hingewiesen:
1. Das LG ist zutreffend von einem gegen die Beklagten sprechenden Anscheinsbeweis wegen des unstreitig durchgeführten Fahrstreifenwechsels nach links beim Wendemanöver in den Mittelstreifendurchbruch der Masurenallee ausgegangen. Die Beklagten haben schon keine Umstände vorgetragen, die geeignet wären, diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern. Der Wendende muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Nach der Unfallschilderung der Beklagten selbst war das nicht der Fall. Es kann dahinstehen, ob bereits in der Durchführung des Wendemanöver nebst Fahrstreifenwechsels trotz des erkannt heranfahrenden Klägerfahrzeuges eine Gefährdung lag. Jedenfalls hat der Beklagte zu 1) sein Fahrzeug im Verlauf des Wendemanövers so zum Stillstand gebracht, dass es sich noch im äußerst linken Fahrstreifen des Klägers befand (Schriftsatz der Beklagten vom 27.7.2005, S. 2: "Er wechselte sodann in die linke Fahrspur und leitete das Wendemanöver ein. Er hielt in der vorgesehenen Lücke auf der Masurenallee mit gesetztem Fahrrichtungsanzeiger an"). Dies ergibt sich aus der Beklagtenschilderung der Kollision, und zwar in sämtlichen Varianten, die vorgetragen worden sind. Die von den Beklagten zunächst behauptete, aber durch die Fotos der Unfallfahrzeuge nicht bestätigte Version vom Auffahrunfall würde voraussetzen, dass sich das Beklagtenfahrzeug sogar vollständig im Klägerfahrstreifen befunden hätte. Nach späterer Darstellung der Beklagten (Schriftsatz vom 28.11.2005) soll das Klägerfahrzeug so heftig gegen die linke Seite des Beklagtenfahrzeuges gestoßen sein, dass es sich um 180 gedreht haben soll. Auch das setzt voraus, dass sich das Beklagtenfahrzeug zumindest teilweise noch im Klägerfahrstreifen befand.
Danach war eine Gefährdung des Klägers gerade nicht ausgeschlossen. Insofern kann es auf sich beruhen, ob der Beklagte zu 1. ansonsten die Vorschriften über den Fahrspurwechsel und das Wenden beachtet hat.
2. Zu Recht hat das LG auch eine Mithaftung des Klägers verneint.
a) Entgegen der Auffassung der Beklagten auf S. 1 der Berufungsbegründung hat das LG die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Klägers nicht "außer Betracht gelassen".
Vielmehr hat es auf S. 5 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt, dass der unter Überqueren des linken benachbarten Fahrstreifens Wendende, der den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis nicht ausräumt, grundsätzlich seinen Schaden selbst zu tragen hat; denn ggü. der Verletzung der besonderen Sorgfaltspflichten aus § 9 Abs. 5 StVO, die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen, tritt die bloße Betriebsgefahr des gegnerischen Fahrzeugs zurück, § 17 Abs. 1, 2 StVG (st. Rechtspr., vgl. Senat v. 4.6.1987 - 12 U 4540/86, NJW-RR 1987, 1251; Urt. v. 1.10.2001 - 12 U 2139/00, NZV 2002, 230 = KGReport Berlin 2002, 98; Urt. v. 7.10.2002 - 12 U 41/01, NZV 2003, 89 = KGReport Berlin 2003, 3 = DAR 2002, 557 = VRS 103, 403 = MDR 2003, 507 = VersR 2003, 259 L).
Im Streitfall tritt daher die bloße Betriebsgefahr des Klägerfahrzeuges hinter das Beklagtenverschulden zurück.
b) Auch der Vortrag der Beklagten auf S. 2, 3 der Berufungsbegründung, der Kläger müsse zu 50 % mithaf...