Entscheidungsstichwort (Thema)
Vaterschaftsanfechtungsverfahren: Bestellung eines Ergänzungspflegers für ein minderjähriges Kind
Leitsatz (amtlich)
Auch nach dem ab dem 1.9.2009 geltenden Recht ist die Bestellung eines Ergänzungspflegers für das minderjährige, nicht verfahrensfähige Kind im Vaterschaftsanfechtungsverfahren unerlässlich. Das Vertretungsverbot der Eltern ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB (Anschluss an OLG Hamburg FamRZ 2010, 1825).
Normenkette
BGB § 1629 Abs. 2 S. 1, § 1795 Abs. 1 Nr. 3, § 1909
Verfahrensgang
AG Berlin-Pankow/Weißensee (Beschluss vom 23.03.2010; Aktenzeichen 27 F 5540/09) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des AG Pankow/Weißensee - Rechtspfleger - vom 23.3.2010 geändert:
Für das minderjährige Kind ... wird Ergänzungspflegschaft mit dem Aufgabenkreis "Vertretung des Kindes im Vaterschaftsanfechtungsverfahren" angeordnet. Zum Pfleger wird die Arbeiterwohlfahrt Landesverband Berlin e.V., Kärntener Straße 23, 10827 Berlin, bestellt.
Es wird von der Erhebung von Gerichtskosten abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beteiligte zu 2) ist die Mutter des am 5.11.2004 geborenen Kindes. Vorgeburtlich hatte der Beteiligte zu 1) die Vaterschaft anerkannt und die Beteiligte zu 2) hatte der Vaterschaftsanerkennung zugestimmt. Am 1.3.2005 erklärten die nicht miteinander verheirateten Beteiligten zu 1) und 2), die gemeinsame elterliche Sorge für das Kind ausüben zu wollen. Mit Schriftsatz vom 14.9.2009 hat der Beteiligte zu 1) beim AG Pankow/Weißensee Klage (richtig: Antrag) auf Anfechtung der Vaterschaft eingereicht (Az.: 27 F 5220/09). Gleichzeitig hat er die Bestellung eines Ergänzungspflegers zur rechtlichen Vertretung des Kindes im Vaterschaftsanfechtungsverfahren angeregt.
Der Beteiligte zu 3) hält die Bestellung eines Ergänzungspflegers für das Kind nicht für erforderlich, da unter Berücksichtigung des ab dem 1.9.2009 geltenden Verfahrensrechts ein Vertretungsausschluss der sorgeberechtigten Eltern gem. § 1795 BGB in Abstammungssachen, nicht mehr vorliege. Das Vaterschaftsanfechtungsverfahren sei kein Rechtsstreit und gelte auch nicht als Familienstreitsache, so dass ein Vertretungsausschluss kraft Gesetzes nicht mehr eingreife.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 23.3.2010, zugestellt am 26.3.2010, ist das AG Pankow/Weißensee - Rechtspflegerin - dieser Auffassung gefolgt und hat den Antrag des Beteiligten zu 1) auf Bestellung eines Ergänzungspflegers zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1) mit der am 21.4.2010 beim AG eingegangenen Beschwerde.
Die zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 1) (§ 58 FamFG) ist auch begründet.
Das AG hat den Antrag des Beteiligten zu 1) auf Bestellung eines Ergänzungspflegers für das minderjährige Kind zu Unrecht zurückgewiesen.
Auch nach dem ab dem 1.9.2009 geltenden Recht ist die Bestellung eines Ergänzungspflegers für das minderjährige, nicht verfahrensfähige Kind im Vaterschaftsanfechtungsverfahren unerlässlich. Die Beteiligten zu 1) und 2), die die gemeinsame elterliche Sorge für das Kind innehaben, sind von der Vertretung des Kindes im anhängigen Vaterschaftsanfechtungsverfahren (AG Pankow/Weißensee - 27 F 5220/09) ausgeschlossen. Das Vertretungsverbot der Beteiligten zu 1) und 2) ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB (FamRZ 2010, 1825 ebenso OLG Hamburg, Beschl. v. 4.6.2010 - Az. 12 UF 224/09 -, veröffentlicht bei juris). Die Tatsache, dass Verfahren in Familiensachen nach dem FamFG nicht als Rechtsstreit zu bezeichnen sind und das Abstammungsverfahren nicht mehr als kontradiktorischer Prozess nach den Regeln der ZPO ausgestaltet ist, steht einer entsprechenden Anwendung von § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht entgegen. Denn die Interessenlage der Beteiligten ist ggü. dem bisherigen Recht gleich geblieben. Die Beteiligten (§ 172 Abs. 1 FamFG; Vater, Mutter, Kind) können weiterhin, auch wenn das Verfahren formal nicht mehr kontradiktorisch ausgestaltet ist, widerstreitende Interessen verfolgen. Auch handelt es sich um ein Antragsverfahren mit eingeschränkter Amtsermittlung (§§ 171, 177 FamFG). Da an der rechtlichen Auseinandersetzung sowohl die Elternteile als auch das Kind mit jeweils eigenständiger Position formell beteiligt sind, liegt der Sache nach diejenige Konstellation vor, welche der Gesetzgeber in § 1795 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BGB in der Weise geregelt hat, dass die Eltern wegen möglicher und durchaus naheliegender Interessenkonflikte von vornherein, d.h. unabhängig von einer Einzelfallprüfung, kraft Gesetzes von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen sind (OLG Hamburg, a.a.O.).
Dies lässt sich auch aus § 1629 Abs. 2a BGB begründen. Wenn die Eltern ihr Kind schon nicht in dem Verfahren auf Vorabklärung der leiblichen Abstammung (§ 1598a BGB) vertreten können, dann erst recht nicht in dem Vaterschaf...