Leitsatz (amtlich)
Selbst wenn das für Personenvereinigungen erwogene Abstimmungsverbot des Betroffenen bei Maßnahmen aus wichtigem Grund auf das Vereinsrecht übertragen werden könnte, bliebe im gerichtlichen Verfahren betreffend das Stimmrecht zu entscheiden, ob ein wichtiger Grund tatsächlich vorliegt.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 14.09.2004; Aktenzeichen 16 O 426/04) |
Tenor
1. Die Berufung des Antragstellers gegen das am 14.9.2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 16 des LG Berlin - 16 O 426/04 - wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Berufungsverfahrens nach einem Wert von 50.000 EUR zu tragen.
Gründe
A. Der Antragsteller wurde unter der aus dem Rubrum ersichtlichen Bezeichnung im Jahr 1949 als Dachverband gegründet. Seine direkten Mitglieder sind die jeweiligen Landesverbände. Dazu zählte bzw. zählt auch der Antragsgegner, der bis zum 27.5.2002 den Namen "J.-V.B. e.V." führte. Die in den Landesverbänden organisierten Journalisten gehören dem Antragsteller nur mittelbar an, es sei denn, die jeweilige Satzung des Landesverbandes bestimmt eine unmittelbare Mitgliedschaft. Nach der Satzung des Antragsgegners ist dies nicht der Fall.
Nach einer Vereinbarung des Antragstellers mit den Innenministern des Bundes und der Länder ist er neben wenigen anderen Verbänden zur Ausgabe bundeseinheitlicher Presseausweise berechtigt. Diese Aufgabe durfte er auf die Landesverbände delegieren, wovon er Gebrauch machte. Für die in Berlin lebenden Journalisten stellte daher der Antragsgegner die Presseausweise aus.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit und die Folgen des auf dem außerordentlichen Verbandstag des Antragstellers am 16.7.2002 - in offener Abstimmung - ergangenen Beschlusses, durch den der Antragsgegner mit sofortiger Wirkung ausgeschlossen wurde. Der Antragsteller wirft dem Antragsgegner vor, Vorstandsmitglieder des L.B. und des Antragsgegners hätten die Vorstandswahlen des am 15.5.2004 abgehaltenen Gewerkschaftstages des L.B. und die Vorstandswahlen des am 6.6.2004 abgehaltenen Gewerkschaftstages des Antragsgegners manipuliert. Dabei hätten Vorstandsmitglieder des L.B. unberechtigt Personen (die kurzzeitig vorher Aufnahmeanträge gestellt hatten) wie Mitglieder an den Wahlen des L.B. teilnehmen lassen. Ein Teil dieser Personen hat dann - satzungsgemäß grundsätzlich zulässig - einen Wechsel vom L.B. zum Antragsgegner gefordert. Diese Personen haben am 5.6.2004 - wie Mitglieder - auch an den Vorstandswahlen des Antragsgegners teilgenommen. Der Antragsteller behauptet, Überweisungsschreiben (betreffend den Mitgliederwechsel) des L.B. vom 28.5.2004 seien nach dem 5.6.2004 rückdatiert worden. Der Antragsgegner meint hingegen, die genannten Personen hätten jeweils als berechtigte Mitglieder bei den Vorstandswahlen mitgestimmt.
Das LG hat die Anträge des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (im Wesentlichen: Verbot der Namensführung, der Nutzung der Domain "www.d.", der Ausgabe bundeseinheitlicher Presseausweise und Herausgabe vorhandener Blankette) zurückgewiesen. Es fehle an einem Ausschlussgrund, denn eine "Rückdatierung" der Überweisungsschreiben sei nicht glaubhaft gemacht und eine vorbestehende wirksame Mitgliedschaft im überweisenden Landesverband müsse der aufnehmende Landesverband nicht überprüfen. Im Übrigen hätte allenfalls der abgewählte, nicht aber der amtierende Vorstand insoweit eine Prüfungspflicht verletzt und die Einhaltung der internen Satzungsbestimmungen des Antragsgegners berühre die Interessen des Antragstellers nicht - wie für einen Ausschluss nach § 3 Abs. 3 der Satzung des Antragstellers erforderlich - unmittelbar, sondern nur mittelbar.
B. Die Berufung des Antragsstellers ist unbegründet, § 522 Abs. 2 ZPO.
I. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH unterliegen vereinsrechtliche Disziplinarmaßnahmen der Kontrolle durch die staatlichen Gerichte; diese muss jedoch in grundsätzlicher Anerkennung der Vereinsautonomie bestimmte Grenzen einhalten. Seit langem anerkannt ist, dass die Gerichte jedenfalls nachprüfen können, ob die verhängte Maßnahme eine Stütze im Gesetz oder in der Satzung hat, ob das satzungsmäßig vorgeschriebene Verfahren beachtet ist, sonst keine Gesetzes- oder Satzungsverstöße vorgekommen sind und ob die Maßnahme nicht grob unbillig oder willkürlich ist (BGH v. 30.5.1983 - II ZR 138/82, BGHZ 87, 337 [343] = MDR 1983, 997). In Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung hat der BGH entschieden, dass die Gerichte auch darüber zu befinden haben, ob die Tatsachen, die der Ausschließungsentscheidung zugrunde gelegt wurden, bei objektiver und an rechtsstaatlichen Grundsätzen ausgerichteter Tatsachenermittlung zutreffend festgestellt worden sind (BGH v. 30.5.1983 - II ZR 138/82, BGHZ 87, 337 [345] = MDR 1983, 997); die Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter die herangezogene Vorschrift gehöre hingegen zu den Maßnahmen, die ein Verein in Ausübung seiner Vereinsgewalt eigenverantwortlich zu treffen habe und die gerichtlich daher nur in d...