Entscheidungsstichwort (Thema)

Reisekosten der auswärtigen Partei zur Terminswahrnehmung nach Wohnsitzwechsel bei Ladung zum persönlichen Erscheinen unter der früheren Anschrift am Gerichtsort

 

Leitsatz (amtlich)

Die Reisekosten der auswärtigen Partei zur Wahrnehmung eines Termins, zu dem das persönliche Erscheinen beider Parteien angeordnet war, sind in der Regel auch dann zu erstatten, wenn die Partei es unterlassen hat, dem Gericht die notwendige Anreise vom auswärtigen Wohnort mitzuteilen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 29.07.2003; Aktenzeichen 22 O 202/99)

KG Berlin (Urteil vom 31.05.2002; Aktenzeichen 9 U 7790/00)

 

Tenor

In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden als nach dem inzwischen rechtskräftigen Versäumnisurteil des Kammergerichts vom 31.5.2002 - 9 U 7790/00 - vom Kläger an die Beklagten zu erstattenden Kosten über den bereits festgesetzten Betrag hinaus weitere 486,67 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.7.2002 festgesetzt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger nach einem Wert von 486,67 Euro zu tragen.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg. Der Kläger hat die - in der geltend gemachten Höhe belegten - Reisekosten des Beklagten zu 1) zum Berufungstermin beim Kammergericht am 31.5.2002 gem. § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO zu erstatten.

Der Rechtspfleger hat die Absetzung dieser Kosten damit begründet, der Beklagte zu 1) habe die Reise ohne vorherige Ankündigung von einem anderen Ort, als dem in der Ladungsanschrift angegebenen, angetreten. Diese Begründung geht fehl. Das Kammergericht hatte in der Terminsverfügung vom 28.12.2000 das persönliche Erscheinen des Klägers sowie eines der Beklagten zwecks Sachaufklärung (§ 141 ZPO) angeordnet. Damit war das Erscheinen des Beklagten zu 1) notwendig i.S.d. § 91 Abs. 1 ZPO ohne Rücksicht darauf, dass dem Gericht der bereits im August 2000 erfolgte Umzug der Beklagten nach Aachen nicht bekannt war und die Ladung daher noch an die im angefochtenen Urteil des LG Berlin vom 12.7.2000 angegebene Berliner Anschrift erfolgte.

Aus der Vorschrift des § 9 Abs. 5 ZSEG folgt nichts anderes. Danach werden dem Zeugen grundsätzlich nur die Fahrtkosten der Reise zum Terminsort von dem in der Ladung bezeichneten oder der ladenden Stelle unverzüglich angezeigten Ort ersetzt, die Mehrkosten der An- und Rückreise von bzw. zu einem anderen Ort hingegen nur nach billigem Ermessen, wenn der Zeuge zu diesen Fahrten durch besondere Umstände genötigt war. Hier haben die Beklagten dem Gericht ihre neue ladungsfähige Anschrift in Aachen erst mit Schriftsatz vom 3.7.2002 mitgeteilt, als die Ladung zum erneuten Termin am 26.11.2002 ihnen unter der Berliner Anschrift nicht mitgeteilt werden konnte.

Nach § 91 Abs. 1 S. 2, 2. Halbsatz ZPO sind für die Erstattung der notwendigen Reisekosten der Partei die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden; das gilt auch für die Fahrtkosten i.S.d. § 9 ZSEG (BVerwG v. 6.12.1983 - 4 A 1/78, RPfleger 1984, 158). Es kann dahingestellt bleiben, ob damit auch die einschränkende Bestimmung des § 9 Abs. 5 ZSEG auf die Parteireisekosten entsprechend anwendbar ist, was zweifelhaft erscheint. Denn die Obliegenheit des Zeugen, dem Gericht unverzüglich nach Erhalt der Ladung mitzuteilen, dass er die Reise zum Terminsort von einem anderen als dem in der Ladung bezeichnete Ort anzutreten habe, soll dem Gericht die Möglichkeit geben zu prüfen, ob es den Zeugen zunächst abbestellen soll (vgl. Hartmann, KostenG, 33. Aufl., § 9 ZSEG Rz. 19). Damit soll die Entstehung überflüssiger Auslagen des Gerichts vermieden werden; soweit eine Partei vorschusspflichtig ist (§§ 379 ZPO, 68 GKG), soll die Möglichkeit gegeben werden, einen die Mehrkosten deckenden Vorschuss nachzufordern. Die Reisekosten der Partei sind hingegen in der Regel von dieser zu verauslagen und von der Gegenseite nach Maßgabe des § 91 ZPO zu erstatten. Ist die Notwendigkeit der Reise der Partei zwecks Wahrnehmung eines Termins nach allgemeinen Grundsätzen (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO) zu bejahen, so richtet sich die Höhe der Erstattungsfähigkeit nach §§ 9, 10 ZSEG. Eine Obliegenheit der Partei, die Kosten gering zu halten, besteht nicht ggü. dem Gericht, sondern dem erstattungspflichtigen Gegner.

Aber auch wenn im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 9 Abs. 5 ZSEG eine Obliegenheit der Partei bejaht wird, bei Erhalt einer Ladung zum persönlichen Erscheinen vor Gericht mitzuteilen, dass die Anreise von einem anderen als dem Ladungsort erfolgen müsse, bleiben die Reisekosten im vorliegenden Fall erstattungsfähig. Sinn dieser Obliegenheit kann auch hier nur sein, dem Gericht Gelegenheit zur Prüfung zu geben, ob die - oft routinemäßige - Anordnung des persönlichen Erscheinens wegen der damit verbundenen erhöhten Kosten aufgehoben werden soll. An der Erstattungsfähigkeit der Reisekosten würde dies nichts ändern, wenn die Wahrnehmung des Termins für die Partei unabhängig von der Anordnung des persönlichen Erschei...

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