Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil gem. § 1671 Abs. 1, 2 BGB
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen der Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil gem. § 1671 Abs. 1, 2 BGB.
Normenkette
BGB § 1671 Abs. 1-2
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 23.02.2006; Aktenzeichen 162 F 6563/05) |
Tenor
Die Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 23.2.2006 wird zurückgewiesen.
Die Mutter hat dem Vater seine außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. ... ist am ...1999 geboren. Die Kindeseltern waren nicht miteinander verheiratet. Sie gaben eine gemeinsame Sorgeerklärung ab.
Die Kindeseltern leben getrennt. ... lebte jedenfalls seit 2003 auf Grund einer Vereinbarung der Eltern (im Rahmen eines Verfahrens vor dem AG ...) beim Vater und bei der Mutter im Wechsel, wobei die genaue Aufteilung zwischen den Eltern streitig ist.
Der Vater hat am 27.5.200.. beantragt, die elterliche Sorge für ... auf sich zu übertragen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bd. I Bl. 1-2 d.A. verwiesen.
Das AG Tempelhof-Kreuzberg hat durch Beschluss vom selben Tage dem Vater im Wege einstweiliger Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein übertragen (Bd. I Bl. 4/5 d.A.).
Die Mutter ist dem Antrag des Vaters entgegengetreten und hat ihrerseits beantragt, ihr die alleinige elterliche Sorge für ... zu übertragen.
... ist durch das AG Tempelhof-Kreuzberg am 22.9.2005 angehört worden. Es wird wegen der Einzelheiten auf Bd. I Bl. 32 d.A. verwiesen.
Am 23.2.2006 hat das AG die Eltern, deren Verfahrensbevollmächtigte, die Verfahrenspflegerin und einen Vertreter des weiteren Beteiligten angehört. Es wird wegen der Einzelheiten auf Bd. I Bl. 141-143 d.A. verwiesen.
Wegen des weiteren Verlaufs des amtsgerichtlichen Verfahrens, insb. wegen der weiteren gestellten Anträge und Schriftsätze, wird auf die Verfahrensakten verwiesen.
Das AG Tempelhof-Kreuzberg hat durch Beschluss vom 23.2.2006 die elterliche Sorge dem Vater allein übertragen, und den Antrag der Mutter zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bd. I (Bl. 144-149 d.A.) verwiesen.
Dieser Beschluss ist den Verfahrensbevollmächtigten der Mutter am 6.3.2006 zugestellt worden. Dagegen hat die Mutter mit am 4.4.2006 bei dem KG eingegangenem Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde eingelegt, die mit am 8.5.2006 eingegangenem Schriftsatz begründet worden ist.
Die Mutter begehrt die Änderung des angefochtenen Beschlusses dahingehend, dass ihrem (erstinstanzlichen) Begehren entsprochen wird. Der Vater tritt dem entgegen. Wegen der Einzelheiten wird auf die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Der Senat hat am 22.9.200..., die Verfahrenspflegerin, die Eltern des Kindes und deren Verfahrensbevollmächtigte angehört. Es wird auf Bd. II Bl. 27-28 d.A. verwiesen.
Hinsichtlich des weiteren Verfahrensverlaufs in der zweiten Instanz wird auf die Sachakten verwiesen.
II. Die Beschwerde ist gem. § 621e Abs. 1 ZPO i.V.m. § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden, mithin zulässig. Sie hat in der Sache keinen Erfolg. Das AG hat zu Recht dem Vater die alleinige elterliche Sorge für ... übertragen.
1. Nach § 1671 Abs. 1 BGB kann, wenn Eltern, denen - wie hier - die gemeinsame elterliche Sorge zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt leben, jeder Elternteil beantragen, dass ihm das FamG die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist bei fehlender Zustimmung des anderen Elternteiles stattzugeben, soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Das Kindeswohl im vorstehenden Sinn ist im Wesentlichen aus der in der gemeinsamen Sorge gesetzlich ausgeprägten besonderen gemeinschaftlichen Verantwortung der Eltern für ihre Kinder in der Getrenntlebenssituation zu interpretieren. Die gemeinsame elterliche Sorge ist der normative Regelfall (OLG Stuttgart v. 9.9.1998 - 17 UF 309/98, OLGReport Stuttgart 1998, 394 = FamRZ 1999, 39; OLG Hamm v. 5.2.1999 - 10 UF 183/98, OLGReport Hamm 1999, 278 = FamRZ 1999, 1597; vgl. auch BVerfG Ka FamRZ 2004, 354; BGH v. 29.9.1999 - XII ZB, NJW 2000, 203). Um zu klären, ob die Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Wohl eines Kindes am besten entspricht, ist zu prüfen, ob zwischen den Eltern die Einigung in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung noch möglich ist (vgl. OLG Köln v. 11.10.2002 - 4 UF 24/02, OLGReport Köln 2003, 118 = FamRZ 2003, 1036).
Die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt eine ausreichende Gesprächsgrundlage voraus (OLG Celle v. 14.11.2002 - 12 UF 81/02, OLGReport Celle 2004, 41 = FamRZ 2003, 1488). Ungeachtet der Frage, ob Eltern zu einem Konsens verpflichtet sind (vgl. KG, 16. Zivilsenat, FamRZ 2000, 504), ist bei Konflikten der Eltern in wesentlichen Bereichen der elterliche...