Leitsatz (amtlich)
Ein Miterbe, der zugleich Nachlaßgläubiger ist, hat keine Berechtigung, nach § 1994 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Antrag auf Bestimmung einer Inventarfrist zu stellen.
Normenkette
BGB § 1994 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 14.01.1978; Aktenzeichen 83 T 770/77) |
AG Berlin-Neukölln (Aktenzeichen 60 VI 101/77) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes betragt 5.000 DM.
Gründe
Der Antragsteller – ein Enkel der Erblasserin – ist auf Grund eines Testaments Erbe zu 1/5. Daneben hat die Erblasserin ihre beiden Töchter als Erben zu je 2/5 eingesetzt. Mit der Begründung, ihm stünde ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zu, hat der Antragsteller beantragt, den zu Erben eingesetzten Töchtern der Erblasserin gemäß § 1994 BGB eine Frist zur Errichtung des Inventars zu setzen. Das Amtsgericht (Rechtspfleger) hat diesen Antrag zurückgewiesen. Der hiergegen gerichteten Erinnerung des Antragstellers hat der Amtsrichter nicht abgeholfen und den Rechtsbehelf als Beschwerde dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Gegen diese Beschwerdeentscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Antragstellers.
Die zulässige weitere Beschwerde ist sachlich nicht begründet.
Der Antragsteller ist nicht antragsberechtigt im Sinne des § 1994 Abs. 1 Satz 1 BGB. Hiernach hat das Nachlaßgericht dem Erben auf Antrag eines Nachlaßgläubigers zur Errichtung des Inventars eine Frist zu bestimmen. Demgemäß ist antragsberechtigt nur ein „Nachlaßgläubiger”, nicht ein Miterbe. Fraglich kann nur sein, ob ein Miterbe, der zugleich Nachlaßgläubiger ist, zur Stellung des Antrags auf Bestimmung einer Frist zur Inventarerrichtung berechtigt ist. Diese im Schrifttum verschiedentlich bejahte Frage (vgl. Planck/Flad, BGB, 4, Aufl., § 1994 Anm. 2; Staudinger/Lehmann, BGB, 11. Aufl., § 1994 Rdn. 3; Soergel/Schippel, BGB, 10. Aufl., § 1994 Rdn. 1; Erman/Bartholomeyczik-Schlüter, BGB, 6. Aufl., § 1994 Rdn. 2) ist nach Auffassung des beschließenden Senats zu verneinen (so BGB-RGRK, 12. Aufl., § 1994 Rdn. 5; Palandt/Keidel, BGB, 38. Aufl., § 1994 Anm. 1; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 77 Rdn. 2). Gegen die Antragsberechtigung des Miterben, der zugleich Nachlaßgläubiger ist, spricht schon der Umstand, daß die Befugnis des Erben und auch eines Miterben zur amtlichen Aufnahme des Inventars in § 2003 BGB normiert ist. Hinzu kommt, daß auch innere Gründe der erwähnten Antragsberechtigung entgegenstehen. Die Wirkung des Ablaufs der nach § 1994 Abs. 1 Satz 1 BGB einem Erben gesetzten Frist besteht für den Fall, daß das Inventar nicht vorher errichtet ist, in dem Eintritt der allgemeinen unbeschränkten Haftung des Erben (§ 1994 Abs. 1 Satz 2 BGB). Falls einem Miterben, der zugleich Nachlaßgläubiger ist, die Antragsberechtigung im Sinne des § 1994 Abs. 1 Satz 1 BGB zuerkannt würde, könnte sich der andere Miterbe ihm gegenüber nach § 2063 Abs. 2 BGB auf die Beschränkung seiner Haftung auch dann berufen, wenn er die Inventarfrist versäumt und deshalb anderen Gläubigern gegenüber unbeschränkt haftet (so BGB-RGRK, a.a.O.). Auch hierin zeigt sich die Wertung des Gesetzgebers, daß ein Miterbe, auch wenn dieser zugleich Nachlaßgläubiger ist, sich regelmäßig auf andere Weise Aufschluß über den Nachlaßbestand verschaffen kann und muß. Das muß angesichts dieser gesetzgeberischen Wertung auch dann gelten, wenn im Einzelfall der betreffende Miterbe ein Interesse hat, den Weg des § 1994 Abs. 1 BGB zu wählen. Die hier vorgenommene Auslegung verstößt auch nicht gegen einen eindeutigen anderslautenden Gesetzeswortlaut (so offenbar Planck/Flad, a.a.O.). Der Gesetzeswortlaut des § 1994 Abs. 1 Satz 1 BGB enthält vielmehr für den Fall, daß ein Miterbe Nachlaßgläubiger ist, eine Regelungslücke, die – wie hier – unter Heranziehung der sonst erkennbaren gesetzgeberischen Wertung auszufüllen ist.
Unterschriften
von Eicken, Haase Richter am Landgericht, Ziesmer
Fundstellen
Haufe-Index 1485071 |
DNotZ 1980, 163 |
OLGZ 1979, 276 |