Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Kostentragung bei einer durch Berufungsrücknahme wirkungslos gewordenen Anschlussberufung, mit welcher der erstinstanzlich siegreiche Kläger zweitinstanzlich seine Klage erweitert hatte.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 52 O 354/18) |
Tenor
1. Die Beklagte ist des eingelegten Rechtsmittels der Berufung verlustig.
2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 10% und die Beklagte 90%.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Entscheidung zu Nr. 1 des Tenors beruht auf § 516 Abs. 3 ZPO. Die Berufung ist zurückgenommen worden.
B. Die Festsetzung des Berufungswerts hat ihre Grundlage in § 3 ZPO, §§ 40, 47 Abs. 1 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GKG.
1. Der Wert der Berufung beträgt 6.000,00 EUR. Wenn ein Unternehmer seine E-Mail-Werbung an einen anderen Unternehmer richtet, geht der Senat - derzeit - im Regelfall von einem Wert in Höhe von 6.000,00 EUR in der Hauptsache aus (seit Senat, Beschluss vom 17. Mai 2016 - 5 W 209/15, BeckRS 2016, 129689 Rn. 9).
2. Den Wert der Anschlussberufung beziffert der Senat mit 500,00 EUR. Der Kläger verfolgt mit der Datenauskunft ein immaterielles Interesse (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 12. November 2020 - I-9 W 34/20 -, Rn. 7, juris; Beschluss vom 05. Februar 2018 - I-9 U 120/17 -, Rn. 3, juris). Wie der Wert zu ermitteln wäre, wenn der Kläger (auch) ein wirtschaftliches Ziel verfolgen würde, muss vorliegend nicht entschieden werden.
3. Die Werte von Berufung und Anschlussberufung sind zusammenzurechnen, denn sie sind nicht wirtschaftlich identisch und betreffen daher nicht "denselben Gegenstand", § 45 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1, Satz 3 GKG.
C. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 1 ZPO im Verhältnis der Streitwerte von Berufung und Anschlussberufung zu verteilen.
1. Nach Auffassung des Senats ist im vorliegenden Falle eine Abweichung von dem Grundsatz geboten, dass die Berufungsrücknahme gemäß § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO die Verpflichtung der zurücknehmenden Partei zur Folge hat, die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten einer durch ihre Berufungsrücknahme wirkungslos gewordenen Anschlussberufung zu tragen. Diese im Falle des § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO dem zurücknehmenden Rechtsmittelkläger aufzuerlegen, hält der Senat im vorliegenden Fall nicht für gerechtfertigt.
a) Das in diesem Zusammenhang für die gegenteilige Auffassung herangezogene Argument, die durch die Anschlussberufung ausgelösten Kosten gingen letztlich auf die Veranlassung des Berufungsklägers zurück, denn ohne seine Berufung hätte sich der Berufungsbeklagte und Anschlussberufungskläger mit dem Urteil des ersten Rechtszuges zufrieden gegeben, greift nur für den Fall, dass der Berufungsbeklagte (lediglich) ein Begehren weiterverfolgt, welches er bereits in erster Instanz - erfolglos - verfolgt hatte und hinsichtlich dessen es auch für den Berufungskläger nicht fernliegend war, dass es im Wege der Anschlussberufung auch in zweiter Instanz geltend gemacht würde. Das genannte Argument ist indes - jedenfalls im Regelfall - nicht stichhaltig, soweit der Berufungsbeklagte in zweiter Instanz im Rahmen einer Anschlussberufung eine Klageerweiterung vornimmt. Über diese konnte das erstinstanzliche Gericht gar nicht entscheiden, so dass sich für den Berufungsbeklagten gar nicht die Frage stellte, ob er sich mit der erstinstanzlichen Entscheidung zufrieden geben soll oder nicht. Wenn der Berufungsbeklagte in einer solchen Lage lediglich die Berufung des Berufungsklägers zum Anlass nimmt, eine weitere Forderung in dem bereits anhängigen Berufungsverfahren geltend zu machen, besteht daher keine ausreichende Rechtfertigung, die insoweit durch die Anschlussberufung des Berufungsbeklagten ausgelösten Kosten (im Rahmen der einheitlichen Kostenentscheidung) nicht diesem, sondern dem Berufungskläger aufzuerlegen. Etwas Anderes erscheint auch deswegen nicht sachgerecht, weil der Rechtsmittelkläger in Fällen der vorliegenden Art dem gleichen Kostenrisiko zum zweiten Mal ausgesetzt werden kann, wenn nämlich sein Gegner nach Zurücknahme der Berufung die damit gegenstandslos gewordene Klageerweiterung erneut in erster Instanz rechtshängig macht (vgl. Kammergericht, Beschluss vom 18. April 1988 - 18 UF 5043/87, FamRZ 1988, 1301; vgl. auch Beschluss vom 30. Oktober 2013 - 26a U 98/13 -, Rn. 19, juris).
b) Die vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 30. Juli 2021 vorgebrachten Argumente überzeugen nicht.
aa) Vorliegend kommt es nicht auf die Frage an, ob mit der Anschlussberufung ein neuer Sachverhalt in den Rechtsstreit eingeführt wurde oder nicht; entscheidend ist vielmehr, dass das erstinstanzliche Gericht - mangels entsprechenden Antrages - über den klageerweiternden Anspruch nicht entscheiden konnte.
bb) Bei seinen Ausführungen zur angeblichen Kostenersparnis der Klageerweiterung übersieht der Kläger, dass im vorliegenden Fall über den klageerweiternd geltend gemachten Anspruch gerade nicht ents...