Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorläufige Instandsetzungsmaßnahme. Ermächtigung zur Ersatzvornahme
Leitsatz (amtlich)
Streiten Wohnungseigentümer über die Kostenbeteiligung an Instandsetzungsarbeiten (hier: undichte Dachterrasse), kann durch einstweilige Anordnung nicht die Zustimmungsverpflichtung anderer Wohnungseigentümer für „sofort wirksam” im Sinne von vorläufig vollstreckbar erklärt werden. Rechtlich möglich ist in dringenden Fällen, dass der widerstrebende Wohnungseigentümer zur Duldung der Arbeiten verpflichtet wird (§ 890 ZPO) oder der instandsetzungswillige Wohnungseigentümer zur Ersatzvornahme ermächtigt und ihm im Wege einstweiliger Anordnung vorläufig vollstreckbare Vorschussansprüche in Höhe der voraussichtlichen Kostenbeteiligung (Zahlungstitel) zugesprochen werden (§ 887 ZPO), wenn für die Kostenbeteiligung die überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht.
Normenkette
WEG § 21 Abs. 4, 5 Nr. 2, § 44 Abs. 3, § 45 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 13.08.2002; Aktenzeichen 85 T 166/02 WEG) |
AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 76 II 90/98 WEG) |
Tenor
Die einstweilige Anordnung wird aufgehoben.
Der Antragsteller hat die Gerichtskosten dritter Instanz zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 1.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
I. Antragsteller und Antragsgegnerin sind die Wohnungseigentümer der Wohnanlage. In dem derzeit in der Erstbeschwerdeinstanz anhängigen Teil des Verfahrens erstrebt der Antragsteller die Sanierung einer Dachterrasse vor seiner Wohneinheit, die sein Rechtsvorgänger auf Grund eines Ausbaurechts mangelhaft ausgebaut hat. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hat das Amtsgericht die Antragsgegnerin, die sich vor allem gegen ihre Kostenbeteiligung wendet, verpflichtet, der Sanierung der Dachterrasse gemäß dem Sachverständigengutachten (vollständiger Neuaufbau der Dachterrasse) zuzustimmen. Durch die angefochtene einstweilige Anordnung hat das Landgericht im Erstbeschwerdeverfahren auf Anregung des Antragstellers die „sofortige Wirksamkeit” der vom Amtsgericht titulierten Zustimmungsverpflichtung angeordnet. Hiergegen hat die Antragsgegnerin form- und fristgerecht sofortige weitere Beschwerde eingelegt, die zur Aufhebung der einstweiligen Anordnung führt.
Entscheidungsgründe
II. Die sofortige weitere Beschwerde gegen die einstweilige Anordnung ist ausnahmsweise zulässig, weil die einstweilige Anordnung aus Rechtsgründen erheblich zu beanstanden ist.
Die Vollstreckung findet in WEG-Verfahren nach den Vorschriften der ZPO statt (§ 45 Abs. 3 WEG). Für die Abgabe einer Willenserklärung (hier: Zustimmung zu einer Instandsetzungsmaßnahme) ist nach § 894 ZPO keine Vollstreckung vorgesehen, sondern die Willenserklärung gilt mit Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung als abgegeben. Nichts anderes gilt, wenn die einstweilige Anordnung des Landgerichts dahin zu verstehen ist, dass der Eigentümerbeschluss über die Instandsetzungsmaßnahme durch den Gerichtsbeschluss ersetzt wird, weil es sich auch dann um die Ersetzung eines rechtsgeschäftlichen (hier gleichgerichteten) Gesamtaktes handelt.
Gleichwohl kann auch in Verfahren auf Ersetzung einer rechtsgeschäftlichen Erklärung das Bedürfnis für eine vorläufige Regelung auftreten. Im vorliegenden Fall wendet sich die Antragsgegnerin wohl nicht gegen die Vornahme der Instandsetzungsarbeiten, sondern gegen ihre Kostenbeteiligung. Demzufolge könnte eine einstweilige Anordnung die widerstrebende Antragsgegnerin zur Duldung der Arbeiten verpflichten (§ 890 ZPO), zumal wenn der Antragsteller die Kosten freiwillig vorschießen will, oder etwa wie bei der Vornahme sonstiger vertretbarer Handlungen (§ 887 ZPO) dahin ergehen, dass der Antragsteller zur Vornahme bestimmter notwendiger Instandsetzungsarbeiten ermächtigt und die Antragsgegnerin vorschussweise ihre voraussichtliche Kostenbeteiligung an den ermächtigten Wohnungseigentümer aufzubringen hat (Zahlungstitel), wenn dieser Anspruch die überwiegende Wahrscheinlichkeit hat.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 47 S. 1 und 2, 48 Abs. 3 WEG.
Unterschriften
Dr. Briesemeister, Kuhnke, Hinrichs
Fundstellen
Haufe-Index 856935 |
BauR 2004, 386 |
FGPrax 2003, 19 |
NZM 2003, 907 |
ZMR 2003, 55 |
WuM 2002, 692 |
KG-Report 2003, 3 |