Leitsatz (amtlich)
1. Die uneingeschränkte Durchführung des Versorgungsausgleichs kann grob unbillig sein, wenn der Ausgleichsberechtigte es in vorwerfbarer, illoyaler Weise unterlassen hat, für seine eigene Alters- und Invaliditätssicherung Vorsorge zu treffen, obwohl ihm das unschwer möglich gewesen wäre.
2. Entsprechendes gilt für die grobe Verletzung der Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die bloße Nichtleistung von Unterhalt noch nicht ausreicht, um den Versorgungsausgleich auszuschließen, da dies auch auf eine fehlende Leistungsfähigkeit zurückzuführen sein kann. Deshalb muss über die bloße Nichterfüllung der Unterhaltspflicht hinaus zusätzlich eine besondere Rücksichtslosigkeit hinzukommen.
3. Den Ausgleichsberechtigten trifft eine sekundäre Darlegungslast, die für das Unterhalten einer eigenen Alters- und Invaliditätsvorsorge und die Leistung eines Beitrages zum Familienunterhalt sprechenden Umstände substantiiert vortragen und ggf. belegen zu müssen, wenn der Ausgleichspflichtige, der keinen Einblick in die maßgeblichen, allein im Einflussbereich des Ausgleichsberechtigten liegenden Tatsachen hat, schlüssig und anhand von Indizien gut nachvollziehbar vorgetragen hat, dass der Ausgleichsberechtigte weder für die eigene Alterssicherung vorgesorgt noch zum Familienunterhalt beigetragen hat und dieser Vortrag durch die eingeholte Auskunft des Versorgungsträgers im Wesentlichen bestätigt wird.
Verfahrensgang
AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 93 F 14/20) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der am 16. September 2020 verkündete Scheidungsverbundbeschluss des Amtsgerichts Schöneberg - 93 F 14/20 - hinsichtlich des Ausspruchs zum Versorgungsausgleich geändert und Ziff. 2 des Tenors wie folgt neu gefasst:
2. a) Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der D ... B ... - Versicherungsnummer ... - zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 0,4064 Entgeltpunkten auf das vorhandene Versicherungskonto Nr. ... bei der D ... B ..., bezogen auf den 29. Februar 2020, übertragen.
b) Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der D ... B ... - Versicherungsnummer ... - zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 1,3508 Entgeltpunkten auf das vorhandene Versicherungskonto Nr. ... bei der D ... B ..., bezogen auf den 29. Februar 2020, übertragen.
c) Im Übrigen findet ein Versorgungsausgleich nicht statt.
Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die beteiligten früheren Ehegatten jeweils zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt jeder Beteiligte selbst.
Der Beschwerdewert wird auf 1.740 EUR festgesetzt.
Der Antrag des Antragsgegners vom 2. Dezember 2020, Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsverfolgung in zweiter Instanz zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob im Zuge der Scheidung ein Versorgungsausgleich durchzuführen ist.
Auf den von der Antragstellerin angebrachten Scheidungsantrag, dem der Antragsgegner zugestimmt hat, hat das Familiengericht die Ehe geschieden. Hinsichtlich des Versorgungsausgleichs hat die Antragstellerin beantragt, von einer Durchführung abzusehen, weil ein Ausgleich der während der Ehezeit, dem Zeitraum vom 1. Mai 2013 bis zum 29. Februar 2020, jeweils erworbenen Anrechte grob unbillig wäre. Das Familiengericht hat, nachdem es die beteiligten Ehegatten hierauf hingewiesen hat, entschieden, dass ein Versorgungsausgleich nicht durchgeführt wird und zur Begründung darauf verwiesen, dass der Antragsgegner zwar voraussichtlich ausgleichsberechtigt sein werde, ein Versorgungsausgleich zu seinen Gunsten aber dennoch nicht in Betracht komme, weil er es vollständig unterlassen habe, in irgendeiner Weise an der Aufklärung seiner Anrechte mitzuwirken.
Gegen die Entscheidung in der Folgesache Versorgungsausgleich wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde, mit der er rügt, das Familiengericht habe zu Unrecht davon abgesehen, den Versorgungsausgleich zu regeln; dieser sei vielmehr von Amts wegen durchzuführen. Ein völliger oder teilweiser Ausschluss des Versorgungsausgleichs, so, wie die Antragstellerin dies fordere, komme nicht in Betracht. Denn er habe zu Beginn der Ehezeit einen Taxibetrieb unterhalten und sei daneben als Veranstaltungskaufmann im Bereich der "Promotion" u.a. für das Unternehmen c ... selbständig tätig gewesen. Aus den Einnahmen aus diesen Tätigkeiten habe er die Lebenshaltungskosten der insgesamt vierköpfigen Familie - der Antragstellerin und ihm sowie den zwei minderjährigen, in den Jahren 2014 bzw. 2016 geborenen Kindern - bestritten und insbesondere die Kosten der Miete wie auch andere Lebenshaltungskosten bezahlt.
Die Antragstellerin tritt der Beschwerde entgegen. Sie hält an ihrem erstinstanzlichen Antrag fest, den Versorgungsausgleich wegen grober Unbilligkeit vollständig auszuschließen und verweist darauf, dass auch die - hier vorliegende - V...