Entscheidungsstichwort (Thema)
Heraufsetzung des notwendigen Selbstbehalts gegenüber minderjährigen Kindern bei erhöhtem Wohnbedarf des Unterhaltsschuldners
Leitsatz (redaktionell)
Die Heraufsetzung des notwendigen Eigenbedarfs für den Schuldner von Minderjährigenunterhalt wegen erhöhter Mietkosten kommt nur dann in Betracht, wenn die erhöhten Mietkosten unvermeidbar entstanden sind und auf absehbare Zeit nicht gemindert werden können.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 2 S. 1; FamFG § 113 Abs. 1 S. 2; ZPO §§ 114, 127 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 17.10.2011; Aktenzeichen 133 F 10198/11) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 17.10.2011 - 133 F 10198/11 - wird zurückgewiesen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 3, 569 ZPO), jedoch nicht begründet. Das Familiengericht hat dem Antragsgegner aufgrund von fehlenden Erfolgsaussichten zu Recht die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsverteidigung gegen den Antrag der Mutter versagt, ihn - den Ehemann und Vater von L..., geboren am 5.5.1997 - zur Zahlung von Kindesunterhalt in einem Mangelfall - Zahlbetrag 218,74 EUR statt des eigentlich geschuldeten Mindestunterhalts von 334 EUR - zu verpflichten.
1. Mit der Beschwerde macht der Antragsgegner geltend, die begehrte Verfahrenskostenhilfe sei ihm zu Unrecht versagt worden; das Familiengericht habe seine Rechtsverteidigung nicht richtig gewürdigt und deshalb verkannt, dass er nicht in ausreichendem Maße leistungsfähig sei, um den begehrten Mangelunterhalt zu zahlen. Seine unzureichende Leistungsfähigkeit rühre im Kern daher, dass er außergewöhnlich hohe Wohnkosten von 494 EUR/Monat habe; diese überstiegen den in die Sätze der "Düsseldorfer Tabelle" eingearbeiteten Wohnkostenanteil von bis zu 360 EUR/Monat ganz erheblich. Deshalb sei der Wohnkostenanteil zu seinen Gunsten um die Differenz von (494 EUR./. 360 EUR) 134 EUR zu erhöhen mit der Folge, dass sein Selbstbehalt entsprechend höher ausfallen und nicht mehr lediglich 770 EUR, sondern 904 EUR betragen müsse. Damit reduziere sich der zu leistende Unterhalt entsprechend; seine hierauf gestützte Rechtsverteidigung verspreche Erfolg und deshalb dürfe ihm die begehrte Verfahrenskostenhilfe nicht versagt werden.
2. Diesem Vortrag ist das Familiengericht mit zutreffenden Erwägungen, denen sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, nicht gefolgt; das Beschwerdevorbringen, welches sich im Wesentlichen in der Wiederholung und Vertiefung des Vortrages in der Instanz erschöpft, rechtfertigt keine andere Beurteilung:
a) In der unterhaltsrechtlichen Rechtsprechung (vgl. etwa BGH NJW 1984, 1614 [bei juris Rz. 10]) und Literatur (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB [71. Aufl. 2012], § 1603 Rz. 20; Wendl/Gutdeutsch, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis [8. Aufl. 2011], § 5 Rz. 23; Büte/Poppen/Menne, Unterhaltsrecht [2. Aufl. 2009], § 1603 Rz. 68; Handbuch Fachanwalt Familienrecht/Gerhardt [8. Aufl. 2011], Rz. 6-315, 738; Göppinger/Wax-Macco, Unterhaltsrecht [9. Aufl. 2008], Rz. 333) ist anerkannt, dass der in die Tabellensätze eingearbeitete Wohnkostenanteil heraufgesetzt werden kann, wenn der Pflichtige für die Deckung seines Wohnbedarfs dauerhaft unvermeidbare Mehrkosten in erheblichen Umfang aufbringen muss. Als Maßstab, an denen sich eine im konkreten Einzelfall als erforderlich erweisende Modifikation auszurichten hat, werden dabei in erster Linie die Unvermeidbarkeit erhöhter Wohnkosten, beispielsweise in besonders teuren städtischen Ballungsräumen genannt (Göppinger/Wax-Macco, a.a.O.; Wendl/Gutdeutsch, a.a.O.); die Erheblichkeit der Abweichung von den Tabellenansätzen und deren Dauerhaftigkeit, also die Frage nach den Möglichkeiten, auf hohe Wohnkosten zu reagieren (Büte/Poppen/Menne, a.a.O.) sowie schließlich auch das Kriterium, in welcher Art von Unterhaltsverhältnis - beispielsweise im Verhältnis zum Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes oder zu demjenigen eines betagten Elternteils - die Frage relevant wird (Handbuch Fachanwalt Familienrecht/Gerhardt, a.a.O., Rz. 738).
b) Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den zu entscheidenden Fall erscheint offensichtlich, dass eine Heraufsetzung des Selbstbehalts - entgegen der Meinung des Antragsgegners - hier nicht in Betracht kommt:
- Zunächst einmal sind - mit dem Familiengericht - ganz erhebliche Zweifel an der Unvermeidbarkeit erhöhter Wohnkosten angezeigt: Es nicht ersichtlich, dass es für den Antragsgegners nicht möglich sein bzw. gewesen sein sollte, eine günstigere Wohnung anzumieten. Insbesondere die großen Wohnungsbaugesellschaften in B.bieten in fast allen Stadtteilen günstigen Wohnraum an; teilweise werden Mieter derzeit sogar regelrecht gesucht. Der Hinweis des Antragsgegners, ihm sei seinerzeit keine andere Wahl geblieben, als die hier in Rede stehende Wohnung anzumieten, weil er aufgrund eines polizeilichen Platzverweises im Febru...