Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Notwendigkeit einer Unterbringung zum Zweck der Heilbehandlung bei fehlender Krankheitseinsicht
Leitsatz (amtlich)
Die zwangsweise Unterbringung eines psychisch Kranken nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist unzulässig, wenn eine Veränderung oder Stabilisierung der Psychose auch unter stationären Bedingungen nicht erreicht werden kann. Dabei ist es eine Frage des Einzelfalls, ob fehlende Krankheitseinsicht des Betreuten jegliche Erfolgsaussicht der beabsichtigten Heilbehandlung entfallen lässt.
Eine Dauer der Unterbringung von sechs Monaten ist auch bei fehlender Krankheitseinsicht nicht unverhältnismäßig, wenn sie der Fortsetzung einer nach ärztlicher Beurteilung für diesen Zeitraum erforderlichen und sinnvollen medikamentösen Behandlung mit Neuroleptika dient und die Möglichkeit einer ambulanten Weiterbehandlung wegen der hierfür fehlenden Bereitschaft des Kranken ausscheidet.
Normenkette
BGB § 1906 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 15.02.2005; Aktenzeichen 83 T 70/05) |
AG Berlin-Neukölln (Aktenzeichen 53-XVII G 827) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde und die weitere Beschwerde des Betroffenen werden zurückgewiesen.
Gründe
I. Unterbringungsverfahren
Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des LG vom 15.2.2005 zur Genehmigung der Unterbringung ist zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt (§§ 70m Abs. 1, 70g Abs. 3 S. 1, 22 Abs. 1, 27, 29 FGG). Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes, worauf eine weitere Beschwerde allein mit Erfolg gestützt werden kann (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 f. ZPO).
1. Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, aufgrund der gutachtlichen Stellungnahme von Frau H. vom S.D. vom 19.1.2005, ergänzt durch die mündlichen Ausführungen der Stationsärztin Dr. H. im amtsgerichtlichen Anhörungstermin sowie der weiteren in der Akte befindlichen aussagekräftigen fachärztlichen Gutachten und Stellungnahmen stehe fest, dass der Betroffene an einer chronisch verlaufenden paranoiden Psychose leide, die dringend einer ausreichend langen konsequenten medikamentösen Behandlung bedürfe, um krankheitsbedingte aggressive Fehlhandlungen des Betroffenen wie in jüngster Vergangenheit sowie eine weitere extreme Verwahrlosung des Betroffenen abzuwehren. Eine neuroleptische Behandlung sei, wie sich den gutachtlichen und fachärztlichen Einschätzungen entnehmen lasse, auch Erfolg versprechend. Sie müsse jedoch, aufgrund der Erkenntnisse aus dem bisherigen Krankheitsverlauf und fehlender Krankheits- und Behandlungseinsicht, einen längeren Zeitraum umfassen, so dass die von der Sachverständigen empfohlene Unterbringungsfrist von 6 Monaten keinen Bedenken unterliege. Da der Betroffene offensichtlich nicht krankheits- und behandlungseinsichtig sei, könne die dringend erforderliche konsequente neuroleptische Behandlung derzeit nur stationär und nur im Wege der Unterbringung erfolgen.
2. Diese Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das LG hat die Voraussetzungen für die Genehmigung der Unterbringung des Betroffenen längstens bis zum 26.7.2005 in tatsächlicher Hinsicht rechtsfehlerfrei und damit für den Senat bindend festgestellt (§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG i.V.m. § 559 ZPO). Die Entscheidung ist auch ohne Verstoß gegen Verfahrensvorschriften zustande gekommen.
a) Die mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung eines Betreuten durch den Betreuer ist durch das VormG zu genehmigen, solange die geschlossene Unterbringung zum Wohl des Betreuten erforderlich ist. Dies kommt nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB in Betracht, wenn auf Grund einer psychischen Krankheit des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt. Nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB darf die Unterbringung genehmigt werden, wenn eine notwendige Heilbehandlung ohne sie nicht durchgeführt werden kann, weil der Betroffene aufgrund einer psychischen Krankheit die Notwendigkeit der Behandlungsmaßnahmen nicht erkennt. Dabei ist die Erforderlichkeit der Unterbringung einer strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen (BVerfG v. 23.3.1998 - 2 BvR 2270/96, NJW 1998, 1774 [1795]). Die Unterbringung zur Durchführung einer Heilbehandlung ist nur zulässig, wenn sie sich als unumgänglich erweist, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung von dem Kranken abzuwenden (BVerfG v. 23.3.1998 - 2 BvR 2270/96, NJW 1998, 1774 [1795]). Verfahrensrechtlich ist die Genehmigung einer Unterbringung zudem nur zulässig, wenn zuvor das Gutachten eines psychiatrisch erfahrenen Arztes eingeholt worden ist (§ 70e Abs. 1 S. 1 und 2 FGG).
b) Entgegen der Auffassung des Betroffenen begegnet es keinen durchgreifenden verfahrens-rechtlichen Bedenken, dass das LG der gutachtlichen Stellungnahme der Ärztin H. vom S.D. vom 19.1.2005 i.V.m. den früheren aktenkundigen Fachgutachten die Qualität eines Gutachtens gem. § 70e Abs. 1 FGG ...