Leitsatz (amtlich)
1. Stoßen zwei Fahrradfahrer bei einem Überholvorgang im gleichgerichteten Verkehr zusammen, trägt der Geschädigte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der andere seine Pflichten verletzt hat.
2. Der Überholvorgang ist nur dann durch Schallzeichen einzuleiten, wenn dieser wegen der geringen Breit des Fahrwegs oder erkennbarer Unsicherheit des zu Überholenden besonders gefährlich erscheint.
Normenkette
BGB § 823; StVO §§ 4, 5 Abs. 1, § 16 Abs. 1; ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 19.07.2016; Aktenzeichen 43 O 44/16) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 19. Juli 2016 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin, Az.: 43 O 44/16, auf seine Kosten durch einen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
2. Der Kläger erhält Gelegenheit, hierzu und zu den Gründen binnen eines Monats schriftlich Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingereicht und innerhalb der Frist nach § 520 Abs. 2 ZPO ausreichend begründet worden. Der Senat beabsichtigt gleichwohl, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil diese - wie er einstimmig meint - keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern und auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht geboten ist. Im Einzelnen gilt:
II. Eine Berufung kann nach § 513 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer fehlerhaften Anwendung oder der Nichtanwendung einer Rechtsnorm beruht oder die nach § 529 ZPO der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Unter Anwendung dieses Maßstabs hat die Berufung des Klägers auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens keinen Erfolg.
III. Das Landgericht hat die auf Zahlung von Schmerzensgeld, Krankenbehandlungskosten, Sachschäden und Verdienstausfall sowie Nebenforderungen in Höhe von zuletzt 16.825,52 EUR gerichtete und mit der Berufung weiter verfolgte Klage abgewiesen, weil es die Behauptung des Klägers nicht für erwiesen erachtet hat, dass die Beklagte beim Überholen den notwendigen Seitenabstand zu ihm als ebenfalls auf einem Rad Fahrenden nicht eingehalten hat. Die durch den Sturz des Klägers eingetretene Unterarmfraktur habe die Beklagte daher nicht verschuldet. Der Fahrradweg aus Bitumen habe eine Breite von 1,75 m gehabt, bis zum Bordstein habe sich noch ein kleingepflasterter Bereich angeschlossen, der eine Breite von 95 cm gehabt habe. Rechts neben dem Fahrradweg habe sich ein Grünstreifen befunden. Dann aber sei ausreichender Platz für ein Überholen mit einem Abstand von 1 m vorhanden gewesen. Ausreichende Anhaltspunkte für ein Unterschreiten des notwendigen Abstands ergäben sich allenfalls aus den Angaben des Klägers, die aber keinen Vorrang vor den plausiblen Erklärungen der Beklagten hätten. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, den Überholvorgang durch ein Klingeln vorzubereiten.
IV. Diese Ausführungen sind nicht zu beanstanden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt hat, so dass weder ein Anspruch wegen der eingetretenen Körperverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB noch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 229 StGB in Betracht kommt.
1. Soweit das Landgericht davon ausgegangen ist, dass nicht feststehe, dass die Beklagte den Kläger unter Nichteinhaltung eines Abstands von einem Meter berührt habe und dass dies wegen der ihn treffenden Beweislast zu seinen Lasten geht, ist dies nicht zu beanstanden.
Der Senat ist nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Feststellungen des Erstgerichts gebunden, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit vorgetragen werden. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit sind ein unrichtiges Beweismaß im Fall der Durchführung einer Beweisaufnahme, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche (vgl. BGH, Urt. v. 19. April 2005, VI ZR 175/04, juris Rdn. 9; Senat, Beschluss vom 30. November 2017 - 22 U 34/17 -, juris Rdn. 5; Senat, Beschluss vom 16. November 2017 - 22 U 24/17 -, juris Rdn. 5). Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGH, Urteil vom 08. Juni 2004 - VI ZR 230/03 -, BGHZ 159, 254-263, Rdn. 16; Urt. v. 18. Oktober 2005, VI ZR 270/04, juris); bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht (BGH, Urt. vom 8. Juni 2004, VI ZR 230/03, BGHZ 159, 254, 258; Urteil vom 18. Oktober 2005 - VI ZR 270/04 -, BGHZ 164, 330-336, Rdn. 9). Ein solcher ko...