Entscheidungsstichwort (Thema)
"Durchentscheidung" auf Fahrverbot
Leitsatz (amtlich)
Das Rechtsbeschwerdegericht kann selbst auf das Regelfahrverbot erkennen.
Normenkette
StVG § 25
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 13.12.2015; Aktenzeichen 288 OWi 1234/15) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft Berlin wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 14. Dezember 2015 im Rechtsfolgenausspruch unter Aufrechterhaltung der festgesetzten Geldbuße von 200 Euro dahin abgeändert, dass der Betroffenen für die Dauer eines Monats verboten wird, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.
Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Rechtskraft dieses Beschlusses.
Die Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Zusätzlich angewendete Vorschrift: § 25 Abs. 1 StVG
Gründe
Der Polizeipräsident in Berlin hat gegen die Betroffene wegen eines fahrlässig begangenen Rotlichtverstoßes eine Geldbuße von 200 Euro festgesetzt, ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet und nach § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG eine Bestimmung über dessen Wirksamwerden getroffen. Auf ihren Einspruch hat das Amtsgericht Tiergarten die Betroffene mit dem angefochtenen Urteil zu einer Geldbuße von 200 Euro verurteilt. Von der Verhängung eines Fahrverbots hat es abgesehen. Dem Urteil liegen folgende Feststellungen zugrunde:
"Die Betroffene befuhr mit ihrem Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen B-XX-XX am 19.06.2015 um 12.31 Uhr den T-_Damm, XXXXX Berlin, in Richtung M-Damm. In Höhe der Hausnummer 117 an der Auffahrt BAB AXXX überfuhr die Betroffene die dortige Ampelhaltelinie, obwohl die Ampel bereits 1,86 Sekunden lang Rot zeigte, was die Betroffene bei Anwendung der ihr als Autofahrerin obliegenden Sorgfaltspflichten hätte erkennen und vermeiden können und müssen."
In der Folge stellt das Urteil die Einlassung der Betroffenen dar, die das Amtsgericht für glaubhaft hält und der es demzufolge folgt. Danach sei "die Straße - für sie nicht vorhersehbar - wegen gerade einsetzenden Regens schmierig gewesen", und sie habe "als die Ampel auf Rot geschaltet habe", abgebremst, "ihr Auto sei jedoch aufgrund der Witterung ins Schlingern geraten". Weiter heißt es über die Einlassung der Betroffenen: "Ein Abbremsen bis zum Stillstand vor der Haltlinie sei ihr ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nicht möglich erschienen, weshalb sie sich in der Schrecksekunde zum langsamen Weiterfahren entschieden habe." Das Urteil verweist nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO iVm § 46 OWiG unter kurzer Beschreibung des Sichtbaren auf die von der automatischen Rotlichtüberwachungskamera gefertigten Lichtbilder. Bei der Bemessung der Rechtsfolgen führt das Amtsgericht schließlich aus:
"Im Rahmen der Bußgeldbemessung war zu berücksichtigen, dass die Betroffene verkehrsrechtlich nicht vorbelastet ist und es sich um nur leichte Fahrlässigkeit handelte. Als tat- und schuldangemessen hat das Gericht daher die Verhängung der Regelbuße nach Ifd. Nr. 132.3 BKat in Höhe von 200,00 Euro erachtet, da die festgestellte Rotlichtdauer 1 Sekunde überstieg. Trotz des Vorliegens eines "qualifizierten" Rotlichtverstoßes hat das Gericht von der Verhängung des Regelfahrverbotes von 1 Monat nach Ifd. Nr. 132.3 BKat abgesehen. Die Betroffene hat hier vorliegend nur leicht fahrlässig gehandelt, als sie aufgrund der schmierigen Fahrbahn beim Bremsvorgang Schwierigkeiten bekommen hat, ihren Pkw anzuhalten. Die diesbezüglichen Angaben vermochte die Betroffene auch auf Nachfrage jederzeit nachvollziehbar und in jeder Hinsicht überzeugend zu erläutern. Ihre Angaben werden durch die Inaugenscheinnahme der Lichtbilder der Rotlichtkamera nicht nur nicht widerlegt, sondern sogar gestützt. Ein wie Feuchtigkeit erscheinender Schimmer ist nach Auffassung des Gerichts darauf erkennbar. Angesichts des Tatzeitpunkts im Sommer musste mit rutschiger Fahrbahn auch nicht unbedingt gerechnet werden. Zum Aufnahmezeitpunkt der Bilder fuhr die Betroffene auch mit einer sehr geringen Geschwindigkeit von etwa 20 km/h, wie sich aus den Bildern BI. 2 und 3 d. A. ergibt, aus denen ersichtlich ist, dass sie binnen 1,5 Sekunden (zwischen Rotlichtdauer 1,86 Sekunden und 3,36 Sekunden) nur wenige Meter zurückgelegt hat. Dies stützt nicht nur weiterhin ihre Einlassung, sondern zeigt auch, dass die typische Gefährlichkeitsintensität eines typischen Rotlichtverstoßes nicht gegeben war, da die Betroffene angesichts der geringen Geschwindigkeit jederzeit hätte reagieren können. Nach allem konnte jedenfalls nicht von einem "groben" Verstoß im Rechtssinne ausgegangen werden, der für die Anordnung eines Fahrverbotes nach § 25 StVG gewesen wäre."
Hiergegen wendet sich die Amtsanwaltschaft mit der auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsbeschwerde, die von der Generalstaatsanwaltschaft Berlin vertreten wird. Die Amtsanwaltschaft beanstandet, dass das Amtsgericht kein Fahrverbot verhängt hat. Sie rügt die...