Entscheidungsstichwort (Thema)
Abrechnungsergänzungsansprüche betreffend Sonderumlage und frühere Wirtschaftsperioden. Wohnungseigentumssache betreffend die Wohnanlage
Leitsatz (amtlich)
1. Richtet sich ein Individualanspruch eines Wohnungseigentümers gegen den Verwalter und die Gemeinschaft, scheidet eine Verfahrensvertretung der Gemeinschaft durch den Verwalter wegen Interessenkollision regelmäßig aus.
2. Sind abrechnungsreife Ausgaben und Einnahmen zwar in die beschlossene Jahresgesamtabrechnung, nicht aber in die Einzelabrechnungen eingestellt und dort anteilig umgelegt, hat jeder Wohnungseigentümer einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch gegen den Verwalter und die Eigentümergemeinschaft auf Ergänzung der betreffenden Jahresabrechnung, der auch noch nach Ablauf der Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 WEG geltend gemacht werden kann.
Normenkette
WEG § 27 Abs. 2 Nr. 3, § 28 Abs. 3, § 43 Abs. 1 Nrn. 1-2, 4
Beteiligte
weitere Beteiligte wie aus dem angefochtenen Beschluß des Landgerichts Berlin vom 28. Februar 1996 – 87 T 117/95 (WEG) – ersichtlich |
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 87 T 117/95) |
AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 76 II 377/94) |
Tenor
Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Berlin zurückverwiesen, das auch über die Gerichtskosten dritter Instanz zu befinden hat
Außergerichtliche Kosten dritter Instanz sind nicht zu erstatten.
Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 35.000,00 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beteiligten mit Ausnahme des Verwalters sind die Miteigentümer der Wohnungseigentumsanlage. In der Eigentümerversammlung vom 29. November 1994 genehmigten die Eigentümer mehrheitlich zu TOP 1 die Jahresabrechnung 1992/93 und zu TOP 4 die Jahresabrechnung 1993/94 und erteilten dem Verwalter zu TOP 3 Entlastung für das Wirtschaftsjahr 1992/93 und zu TOP 6 Entlastung für das Wirtschaftsjahr 1993/94. Mit dem am 20. Dezember 1994 bei Gericht eingegangenem Schreiben hat die Antragstellerin die Eigentümerbeschlüsse angefochten und zur Begründung ausgeführt, es seien in den Jahresabrechnungen höhere Gesamtausgaben ausgewiesen als unter den Miteigentümern abgerechnet worden seien. Das Amtsgericht hat die Anfechtungsanträge zurückgewiesen. Hiergegen hat die Antragstellerin Erstbeschwerde eingelegt und hilfsweise beantragt, dem Verwalter aufzugeben, die Jahresabrechnungen 1992/93 und 1993/94 im Hinblick auf die Einnahmen und Ausgaben zur Rechtsverfolgung und auf die Ausgaben „gemäß separater Aufstellung” nebst diesbezüglicher Einnahmen zu ergänzen, äußerst hilfsweise, dem Verwalter aufzugeben, die Jahresabrechnungen 1992/93 und 1993/94 dahingehend zu ergänzen, jeweils bestimmte Geldbeträge in die beiden Jahresabrechnungen einzustellen und auf die Wohneinheiten aufzuteilen. Auf Antrage des Landgerichts hat der Verwalter mitgeteilt, daß er die Eigentümergemeinschaft auch zweitinstanzlich vertrete. Das Landgericht hat die Hilfsanträge als sachdienlich zugelassen, die Verwalterentlastungsbeschlüsse zu TOP 3 und TOP 6 für ungültig erklärt und im übrigen die Erstbeschwerde hinsichtlich der Haupt- und Hilfsanträge zurückgewiesen. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig. Insbesondere ist die gemäß § 45 Abs. 1 WEG erforderliche Beschwer erreicht. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene Beschluß ist nicht rechtsfehlerfrei (§ 27 Abs. 1 FGG).
Gegenstand des Verfahrens sind nicht mehr die vom Landgericht für ungültig erklärten Entlastungsbeschlüsse, wohl aber die Anfechtungsanträge betreffend die Abrechnungsbeschlüsse 1992/93 und 1993/94 sowie die beiden Hilfsanträge betreffend die Ergänzung der Jahresabrechnungen.
1. Wird ein Abrechnungsergänzungsanspruch erst in zweiter Instanz in den gerichtlichen Streit über die Jahresabrechnung eingeführt, wird regelmäßig die Sachdienlichkeit für die Zulassung fehlen. Ohne die Zulassung des Ergänzungsantrages kann der Anfechtungsstreit einfacher entschieden werden, weil die Unvollständigkeit der Jahresabrechnung nicht zur Ungültigerklärung des Abrechnungsbeschlusses führen muß. Die Einführung von Ergänzungsanträgen kann dagegen das gerichtliche Verfahren erheblich verlängern. Zudem handelt es sich um Verpflichtungsanträge gemäß § 43 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 WEG, bei denen es unter Umständen auch auf einen späteren Zeitpunkt als den des Abrechnungsbeschlusses ankommen kann. Im Hinblick auf die Regelung des § 23 Abs. 4 WEG haben jedoch alle Beteiligten einen Anspruch, alsbald eine gerichtliche Entscheidung über die Gültigkeit oder die Ungültigkeit des Abrechnungsbeschlusses zu erlangen. Aus Rechtsgründen ist der Senat freilich gehindert, die von der zweiten Tatsacheninstanz bejahte Sachdienlichkeit in Frage zu stellen. Bei dem Beschlußanfechtungsverfahren handelt es sich um ein echtes Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. BGH NJW...