Leitsatz (amtlich)
Zum Nachweis eines Diebstahls in der Kraftfahrzeugversicherung:
Der Versicherer, der sich auf die bloße Vortäuschung eines Diebstahls beruft, muss nicht den Vollbeweis für die Richtigkeit dieser Behauptung führen. Es reicht, dass nach dem zugrunde zu legenden Sachverhalt eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür spricht.
Als Indizien für eine Vortäuschung des Diebstahls kommen u.a. in Betracht:
- Es erweist sich, dass zur Ausführung des gemeldeten Diebstahls Originalschlüssel benutzt worden sind.
- Der Versicherungsnehmer übergibt (dennoch) an den Versicherer sämtliche Originalschlüssel und erklärt dazu, die Schlüssel hätten sich fortwährend in seinem Alleingewahrsam befunden; Dritte hätten keine Zugriffsmöglichkeit gehabt.
- Der Versicherungsnehmer macht hartnäckig grob fehlerhafte Angaben zur Laufleistung des gestohlen gemeldeten Fahrzeugs.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 13.04.2010; Aktenzeichen 42 O 338/09) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Zivilkammer 42 des LG Berlin vom 13.4.2010 wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.
Das LG hat mit Recht festgestellt, dass der beabsichtigten Klage die Erfolgsaussicht fehlt, § 114 ZPO. Dem LG ist im Ergebnis zuzustimmen, dass nach dem vorgetragenen Sachverhalt keine Aussicht für die Antragstellerin besteht, den behaupteten Diebstahl des versicherten Fahrzeugs zu beweisen.
1. Allerdings hat die Antragstellerin einen Diebstahl schlüssig vorgetragen, indem sie darlegt, dass sie das versicherte Fahrzeug am 17.10.2008 gegen 18.20 - 18.30 Uhr in der G. in B. abgestellt und am 20.10.2008 gegen 9.00 Uhr an der geparkten Stelle nicht wieder aufgefunden habe. Werden diese Umstände, die das "äußere Bild" eines Diebstahls ergeben, bewiesen, steht der Diebstahl mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest, was nach der Rechsprechung des BGH als Nachweis des Versicherungsfalls in der Fahrzeugversicherung genügt. Dieser Nachweis kann auch, wenn andere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen, durch die Angaben eines redlichen Versicherungsnehmers bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung geführt werden. Mit diesen Beweiserleichterungen zugunsten des Versicherungsnehmers korrespondieren allerdings Beweiserleichterungen zugunsten des Versicherers, wenn dieser den Diebstahl bestreitet und widerlegen will. Er ist nicht gezwungen, den Vollbeweis für eine Vortäuschung zu führen. Ein Diebstahl ist vielmehr schon dann widerlegt, wenn bei einer Gesamtschau der unstreitigen bzw. bewiesenen Fakten eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für eine Vortäuschung spricht (vgl. den umfassenden Überblick zur Beweisführung bei Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 49 Rz. 46 ff.).
2. Da die Antragstellerin keine Zeugen dafür hat, dass sie das Fahrzeug, wie vorgetragen, abgestellt und nicht wieder gefunden hat, kommt es bei der Beweisführung auf ihre Angaben und ihre Glaubwürdigkeit bzw. Redlichkeit an. Diese wird nach der Rechtsprechung des BGH zwar vermutet. Das LG hat im vorliegenden Fall aber mit Recht festgestellt, dass nach den unstreitigen Umständen des gegebenen Sachverhalts von einer Redlichkeit der Antragstellerin nicht ausgegangen werden kann. Zugleich ergibt eine Gesamtwürdigung der Umstände dieses Falles, dass der behauptete Diebstahl mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nur vorgetäuscht ist.
a. Entscheidend gegen die Redlichkeit der Antragstellerin und für eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung spricht, dass das Fahrzeug am 18.10.2008, also einen Tag nach dem letzten Abstellen durch die Antragstellerin, über eine Strecke von 5 Kilometern mit dem zum Fahrzeug gehörenden Originalzweitschlüssel bewegt wurde und dieser Zweitschlüssel von der Antragstellerin wenige Tage nach dem Fahrzeugverlust bei der Antragsgegnerin abgegeben wurde, wobei sie ggü. der Antragsgegnerin angab, dass dieser Schlüssel in ihrer Wohnung verwahrt worden sei und sie allein Zugriff darauf gehabt habe. Darin liegt ein starkes Indiz für eine Vortäuschung, weil nur schwer vorstellbar ist, dass sich ein Dritter - die Antragstellerin meint, nur ihr getrennt lebender Ehemann komme in Betracht - diesen Schlüssel verschafft und wieder zurückgelegt haben kann, ohne dass die Antragstellerin eingeweiht war. Steht die Benutzung eines Originalschlüssels beim Wegschaffen des Fahrzeugs fest, ist damit eine Beteiligung des Versicherungsnehmers zwar noch nicht bewiesen, dieser Umstand deutet aber doch zumindest auf eine Beteiligung hin. In der Rechtsprechung ist schon der Umstand, dass das (weggekommene) Fahrzeug später zusammen mit einem Originalschlüssel sichergestellt werden konnte, als ein Indiz gewertet worden, dem starkes Gewicht für einen vorgetäuschten Diebstahl zukommen könne (vgl. BGH VersR 1996, 575, juris-Rz. 14).
Einer solchen Einschätzung als ein Indiz für eine Vortäuschung kann nicht...