Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe: Verschlechterung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung nach Stellung eines Prozesskostenhilfeantrages. Zurechnung fiktiven Einkommens im Gaststättengewerbe
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine nach Stellung eines Prozesskostenhilfeantrages eingetretene Verschlechterung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung darf dann nicht zum Nachteil des Antragstellers gereichen, wenn über seinen Antrag trotz Entscheidungsreife nur verzögert entschieden worden ist und die Gründe für die Verzögerung nicht seiner Sphäre zuzurechnen sind.
2. Erwerbsobliegenheit im Rahmen des Trennungsunterhalts und Zurechnung fiktiven Einkommens.
Normenkette
BGB § 1361; ZPO § 114
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 15.01.2007; Aktenzeichen 142 F 16738/05) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 15.1.2007 - 142 F 16738/05 - geändert und der Beklagten unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt, ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit sie sich gegen eine Herabsetzung der im Urteil des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 11.12.2003 - 142 F 9469702 - festgesetzten Unterhaltsrenten auf einen Betrag von weniger als 664 EUR im Monat verteidigt. Im Übrigen werden ihr Prozesskostenhilfeantrag und die weitergehende Beschwerde zurückgewiesen.
Der Anteil der Prozesskostenhilfebewilligung am Streitwert beträgt 65 %.
Gründe
Die Beklagte begehrt Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung gegen eine vom Kläger erhobene Klage auf Abänderung des am 11.12.2003 verkündeten Urteils des AG Tempelhof-Kreuzberg - 142 F 9469/02, in dem der hiesige Kläger verurteilt worden ist, einen monatlichen Trennungsunterhalt von 1.024 EUR an die Beklagte zu zahlen. Bei Erlass dieses Urteils lebten die Parteien ca. 1 ½ Jahren voneinander getrennt. Die am 14.12.1964 geborene Beklagte, die über keine Berufsausbildung verfügt, war ohne Erwerbseinkommen. Der Unterhaltsberechnung des AG lagen ab August 2003 fiktive Einkünfte des Klägers zugrunde, da dieser nach einer zum 31.7.2003 erfolgten Kündigung seines Arbeitsverhältnisses seine Obliegenheit zur Arbeitssuche verletzt habe. Das AG brachte insoweit ein um berufsbedingte Aufwendungen, Krankenvorsorgekosten, Kindesunterhalt und Kreditverbindlichkeiten bereinigtes Einkommen des Beklagten von 2.388,41 EUR im Monat in Ansatz.
Zur Begründung seiner Abänderungsklage hat der Kläger zunächst geltend gemacht, er leide an einer schweren Alkoholerkrankung, die zu hirnorganischen Störungen führe, infolge derer er nicht arbeitsfähig sei. Außerdem sei die gesundheitlich nicht eingeschränkte Beklagte nunmehr - über zwei Jahre nach der Trennung - selbst in der Lage, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Die Beklagte hat insoweit in ihrer Klageerwiderungsschrift beanstandet, der Kläger habe damit die Voraussetzungen einer Abänderungsklage nicht schlüssig dargelegt und im Verhandlungstermin am 8.6.2006 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ihre Rechtsverteidigung beantragt. Mit im gleichen Termin überreichtem Schriftsatz vom 7.6.2006 hat der Kläger unter Bezugnahme auf das abzuändernde Urteil ergänzend vorgetragen, an seiner Einkommenssituation habe sich zwar nichts geändert, eine Zurechnung fiktiven Einkommens komme aber nicht mehr in Betracht, da er nach Erlass des am 11.12.2003 verkündeten Urteils erwerbsunfähig geworden sei. Im Übrigen sei die Beklagte vollschichtig als Kellnerin tätig. Die Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 21.6.2006 erwidert, sie arbeite jeweils am Wochenende etwa dreimal 2 Stunden als Serviererin und erziele hierfür ein monatliches Nettoeinkommen von 120 EUR. Ein höheres Einkommen könne sie nicht erzielen, da sie trotz intensiver Bemühungen keine Stelle gefunden habe und ohnehin keine realistischen Beschäftigungschancen bestünden. Gleichwohl habe sie sich telefonisch auf zahlreiche Stellen, mindestens 20 pro Monat, beworben. Zum Beweis für ihre Bewerbungsbemühungen, die sie selbst nicht weiter substantiieren könne, da sie keine Kopien von den von ihr gefertigten Bewerbungslisten und Nachweisen erstellt habe, hat sie sich auf eine Auskunft des für sie zuständig gewesenen Sozialamtes und zum Beweis für ihre fehlenden Beschäftigungschancen auf eine Auskunft des für sie zuständigen Jobcenters bezogen. Das AG hat daraufhin die Beiziehung des von der Beklagten in Bezug genommenen behördlichen Vorganges veranlasst, welcher am 12.9.2006 beim AG einging und zudem das AG den Parteien sodann rechtliches Gehör gewährte. Nachdem das AG bereits mit Beschluss vom 28.8.2006 die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der vom Kläger behaupteten Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit angeordnet hatte, wurden die Akte sodann am 19.9.2006 der Gutachterin übersandt, wo sie offensichtlich bis zum Eingang des Gutachtens am 9.1.2007 verblieb. Mit Beschluss vom 15.1.2007 hat das AG den Prozesskostenhilfeantrag der Beklagten mangels Erfolgsaussicht ihrer Rechtsverteidigung zurü...